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Benny und Omar

Benny und Omar

Titel: Benny und Omar
Autoren: Eoin Colfer
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vielleicht schon, aber wie im Traum. Pat Shaws Gesicht tauchte auf.
    »Benny!«
    »Dad.«
    »Halt durch, Junge.«
    Benny hielt durch und lockerte keinen Augenblick seinen schraubstockartigen Griff um Kaheena. Auf ihren Lippen zerplatzten Luftblasen und sie nieste eine Nase voll Wasser auf seine Jacke. Gott sei Dank! Etwas Großes, Blaues schoss an ihnen vorbei und stürzte sich in die Fluten. Es war Mohamed Gama. Auf der Suche nach Omar. Er brach durch die Kaktusfeigen, als wären sie nicht da.
    Dad war mit ihnen auf dem Weg angelangt. Weg vom Wasser. Die anderen warteten bis zu den Knien im Schlamm am Landrover. Dad legte Benny und Kaheena auf die Motorhaube. Sie kuschelten sich zitternd aneinander. Benny konnte nicht loslassen. Omar hatte es ihm verboten.
    Alle umringten sie und rubbelten sie mit Jacken und Decken ab.
    »Es geht ihnen gut«, sagte Pat. Er klang, als ob er es zu sich selbst sagte. »Es geht ihnen gut.«
    Jessica konnte nur schluchzen und das durchweichte Bündel aus Stacheln und Beulen umarmen, das ihr ältester Sohn war. Benny öffnete langsam die Augen. Er konnte es noch nicht glauben, dass das Wasser ihn in Ruhe ließ.
    »Georgie?«, plapperte er. »Wo ist Georgie?«
    Sein Bruder war auf den Rücksitz verbannt worden. Aus dem Weg.
    »Georgie?«
    Zum ersten Mal im Leben legte George eine gewisse Behändigkeit an den Tag und krabbelte über die Sitze durchs Fenster hindurch auf die Motorhaube. Pat und Jessie hatten keine Ahnung, was hier vorging. Benny hatte noch nie nach Georgie gefragt. Noch gar nie.
    »Alles in Ordnung, Benny?«, schniefte George. Diesmal waren die Tränen echt. Keine Schauspielerei.
    Benny hob den Arm in Richtung George. Der wich instinktiv zurück, weil er einen Schlag befürchtete, aber so war die Geste nicht gemeint gewesen. George kniete sich hin und spähte über den Kopf des tunesischen Mädchens hinweg.
    »Was ist los, Benny? Was fehlt dir?«
    Benny hustete und über sein Kinn tropfte Wasser. »Es tut mir Leid, Georgie. Es tut mir Leid. Ich verstehe jetzt alles. Es tut mir Leid.«
    Es war wie in der Schlussszene eines Lassie-Films. Fast verursachten sie mit der Heulerei, die jetzt losbrach, eine weitere Überschwemmung. Sogar Talal Khayssi, der an dem anderen Auto gewartet hatte, hörte sich ein bisschen verschnupft an.
    Pat Shaw merkte, dass Gama triefend aus dem überfluteten Feld auftauchte. Der bullige Wachmann schüttelte nur stumm den Kopf. Pat seufzte. Eigentlich hatte er nichts anderes erwartet.
    »Also los, gehen wir«, sagte er schroff, »dass wir den Kerl in ein Krankenhaus bringen.«
    Mohamed Gama entwand Kaheena Bennys Griff und nahm sie in seine riesigen Arme.
    »Einen Augenblick mal …«, hob Pat an, aber Jessica legte die Hand auf seinen Arm und das beruhigte ihn, wie immer.
    »Lass sie, Pat. Sie ist eine von ihnen. Sie kümmern sich um sie.«
    Pat nickte. Das machte vermutlich Sinn. Er konnte gerade nicht klar denken. Gedanken und Gefühle aller Art überschlugen sich in seinem Kopf. Am größten war die Angst. Kalte Angst vor dem Augenblick, in dem er Benny sagen musste, dass sie seinen Freund in den Wassermassen nicht gefunden hatten.

Alles offen
    Grace und Benny saßen auf der Mauer. Grace beschattete mit einer Hand ihre Augen.
    »Also, wo ist es?«
    Benny zeigte auf den Haufen aus Plastik, Steinen und einem Baum. »Siehst du, dort bei dem Truthahn.«
    »Ah ja. Die Überschwemmung hat alles platt gemacht, was?«
    Benny seufzte. »Ja. Gar nicht zu reden von Gama und seinen Leuten. Es war wirklich klasse dort.«
    Er hatte wieder ›das Gefühl‹. Als wenn man Angst und Nervosität zusammenrollte. So ein Gefühl, bei dem man innehält und überlegt, was mit einem los ist. Ein Teil seines Gehirns dachte an Omar.
    »Sieh mal«, sagte Grace.
    Ein alter Mann mit einem Esel, der vor einen Karren gespannt war, stocherte in den Überresten von Omars Haus. Das war der traurigste Vorwand für den Besitz eines Esels, den man jemals sehen konnte. Der alte Mann stöberte mit dem Griff einer Bürste in den Trümmerteilen herum.
    Benny spannte alle Muskeln an. Er wollte den Mann wegjagen. Was er da tat, war fast Grabräuberei oder so etwas Ähnliches.
    »Gott sei mit dem armen Mann«, sagte Grace. »Er muss sich alles, was er braucht, aus dem Müll holen.«
    »Ja. Gott helfe ihm.«
    Sie saßen eine Weile schweigend da und trommelten mit den Fersen gegen den Beton, während sie zusahen, wie der menschliche Aasgeier seinen Karren mit wertlosem Müll belud. Er
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