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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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dich mal gefragt, wie ich mich dabei fühle?«, blaffe ich ihn an.
    »Du hast selten gesagt, wie du dich fühlst.«
    Immer noch die verdammte Ruhe in seiner Stimme. Wut lodert in mir auf. Am liebsten würde ich ihn jetzt aus meinem Bett schmeißen, hochkant.
    Ich unterdrücke den Gedanken an die Hilflosigkeit oder Enttäuschung, die in seiner Stimme mitschwang. Die ich ihm nicht zugestehe, in der kühlen Beherrschtheit, die er ausstrahlt. Ein kleiner Teufel auf meiner Schulter flüstert mir zu, dass er nicht unrecht hat. Ich schubse ihn hinunter. Ich will es nicht wahr haben, will wütend sein. Ist das denn alles, was er zu sagen hat?
    »Ich weiß nicht mal, wo du wohnst, wo du gerne bist. Wer deine Freunde sind, wer dir wichtig ist.« Wer dir den Schmuck schenkte.
    Ich schaue ihn an, seinen gesenkten Kopf, sein abweisendes Profil. Ich habe ihm die Worte entgegen geschrien, die ich eigentlich ohne Vorwurf hätte sagen sollen. All die unausgesprochenen Wünsche, die heruntergeschluckten Befindlichkeiten, die kleinen, nicht vernarbten Verletzungen, haben sich hier in diesem Bett versammelt. All die unbeantworteten » Was hast du gemacht?« , die nicht gegebenen Handynummern, die abgebogenen » Nimmst du mich mal mit? «
    »Das ist doch nicht viel verlangt!« Immer noch Vorwurf in meiner Stimme. Kein Blick zwischen uns.
    »Ich habe auch nie viel verlangt. Dass du redest, dich öffnest. Die Mauern um dich einreißt.« Ein Stimme, die mich erschreckt, bitter und resigniert.
    Ich sage nichts. Ich weiß nichts mehr. Nicht, was war und nicht was noch sein kann. »Ich komme vorbei, so oft ich kann.« Ich schließe die Augen. Sehe Marek aus der Hintertür treten, durch den Garten zu mir kommen. Er setzt sich, streichelt die Katze, trinkt etwas, lehnt sich zurück. Der Wind fährt durch seine Haare und ich sehe ihn an und genieße es.
    Ich sehe uns in einer lichtdurchfluteten Veranda, das Rauschen des Meeres, ein Frühstückstisch auf Malerböcken. Eine Matratze in einem kahlen, strengen Raum, eine große Fensterfront, vor der sich eine Stadt ausbreitet, die gerade erwacht. Mareks Häuser. Sein Leben. Andere Lebensräume, Freiheit; meine Möglichkeit, ab und zu herauszukommen.
    Ich kehre zurück zu der Szene in meinem Garten. Sie ist nicht sehr konkret, gleitet mir weg. Aber sie verströmt Vertrautheit und Selbstverständlichkeit. In dieser Vorstellung ist Marek mehr als ein Besucher. Er ist hier zu Hause. Vielleicht ist er nicht oft da, aber er lebt hier mit mir.
    Das ist es, was ich will. Mehr als »Ich komme vorbei« , mehr als » Ich rufe mal an« . Ich möchte, dass er da ist, wenn ich ihn brauche. Jemand ist, auf den ich mich verlassen kann. Der mir nicht nur gelegentlich seine Aufmerksamkeit schenkt.
    »Du weißt, ich liebe meine Häuser. Das ist mein Leben.«
    Seine Stimme ist jetzt wieder weich. So wie ich sie liebe. Er wendet sich mir zu, aber ich sehe ihn nicht an, um nicht sofort wieder zu vergessen, worum es mir geht.
    »Ich gebe dir meine Handynummer, okay?«
    Ich schüttle den Kopf, selbst erstaunt darüber, dass mir dieses Zugeständnis nicht mehr reicht. Dass es mich nicht einmal mehr freut. Dass ich mehr von ihm will. Eigentlich schon immer mehr von ihm wollte.
    »Das wolltest du doch!« Er wendet den Kopf ab. »Ach, vergiss es.«
    Ich antworte nicht. Drehe mich von ihm weg. Dann warte ich. Warte darauf, dass er etwas sagt, mich berührt. Dass etwas diese Kluft überwindet. Dass seine Worte alles ändern. Dass er » Benjamin« sagt, » Benni. - Bitte .« Die Minuten dehnen sich. Ich höre kein Geräusch von ihm. Spüre seine Nähe schmerzlich.
    Ich höre, wie er aufsteht, sich etwas überzieht, ein paar Schritte geht. Ich blicke über meine Schulter. Seine Silhouette steht am Fenster und blickt hinaus in die Dämmerung. Eine Hand am Rahmen, aufrecht, den Nacken leicht gebeugt. Sehr fern.
    Ich drehe mich wieder weg. Ich warte, dass er zurückkommt, mich festhält, mich vorm Fallen bewahrt. Höre laute energische Schritte und das leise Schließen der Tür.
    Die Treppe knarrt. Jeder Mensch entlockt ihr ein anderes Geräusch, einen typischen Rhythmus. Ich habe Angst, dass ich irgendwann nicht mehr weiß, wie es klang, wenn meine Mutter sie benutzte, oder mein Vater. Oder Marek. Irgendwann werde ich es nicht mehr wissen. Ich schließe die Augen. Warte auf das Vergessen.

    Zimmer

    D as Herbstlicht streift die Hauswand, macht aus kleinen Unebenheiten lange Schatten. Ich nehme eine Weintraube in die Hand, schneide
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