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Benjamins Gärten (German Edition)

Benjamins Gärten (German Edition)

Titel: Benjamins Gärten (German Edition)
Autoren: J. Walther
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Entweder-oder. Ich kann es mir noch nicht richtig vorstellen, dazu fehlen mir die Bilder. Eine Studenten-WG, lange Hochschulgänge, fremde Menschen. Aber die vage Möglichkeit, die Vorstellung, überhaupt diese Alternative zu haben, macht mich freier. Ich schaue zu Marek, sehe, dass er mich beobachtet.
    »Soll ich dir ein paar Materialien von Hochschulen besorgen?«, fragt er.
    Ihm scheint der Gedanke zu gefallen. Ist es das, wie er mich gern hätte? Weniger gebunden, offener, erfahrener? Würden wir uns dann öfter sehen? Welcher Ort liegt in der Mitte zwischen seinen wechselnden Häusern?
    »Mal sehen«, sage ich vage, obwohl ich mich eigentlich über seine Aufmerksamkeit freue. Darüber, dass er mich unterstützen will. Aber ich bin es nicht gewohnt. Es ist zu lange her, dass jemand sich für meine Zukunft interessiert hat.
    »Mal sehen? Du kleiner …«, Marek wirft sich auf mich. Ich drücke seine Arme weg und entwinde mich ihm. Ich flitze zum Wasserhahn, drehe ihn auf und richte den Schlauch auf Marek, der mich fast eingeholt hat.
    »Na warte!« Er zieht sein nasses Shirt über den Kopf, stürzt auf mich zu, unterläuft den Wasserstrahl und wirft mich zu Boden. Wir rangeln miteinander. Wir müssen beide lachen, aber wir kämpfen mit ganzer Kraft. Ich gewinne die Oberhand, drehe ihm einen Arm auf den Rücken, drücke seinen Kopf ins Gras und mein Knie in die Kuhle seines Rückens. Er keucht vor Schmerz auf. Er schlägt mit seinem freien Arm nach mir, stößt mich, schafft es schließlich, sich herumzudrehen. Wir rangeln wieder, atmen beide schwer.
    Marek drückt mich mit dem Rücken in den Strahl des Wasserschlauchs, der noch immer in die Erde gluckert. Er setzt sich auf mich, presst meine Arme auf den Boden. Ich spüre seine Erektion an meiner Hüfte. Ich gebe auf. Marek grinst, seine Hände gleiten über meine Arme, massieren meine Brust. Ein dunkler Bluterguss prangt auf seinem Oberarm. Wir beruhigen uns langsam, aber ich kann immer noch den Adrenalinstoß spüren, der meinen Körper durchströmt hat.
    »Lass uns reingehen«, sagt Marek rau.
    Im Haus hat sich die Hitze aufgestaut. Wir öffnen alle Fenster und Türen, doch der Abend hat die Luft, die träge von draußen hereindringt, kaum abgekühlt.
    Wir ziehen uns aus und legen uns in meinem Zimmer auf den Boden, weil es uns dort kühler vorkommt. Marek berührt mich träge. Er richtet sich auf. Er leckt den Schweiß von meinem Oberkörper. Ich fahre durch seine Haare. Luft strömt jetzt durch die Fenster herein, böig, kühlt unsere Haut. Der Wind zerrt an den Bäumen. Ich atme schwer. Wetterleuchten lässt den Himmel grau und orange aufleuchten. Ich beobachte in dem düsteren Licht Mareks Kopf, der sich auf und ab bewegt. Ich stöhne. Marek lässt sich Zeit. Ich winde mich. Das Gewitter bricht los. Wir lieben uns heftig. Unsere Geräusche gehen im Lärmen des Donners unter.
    Wir liegen erschöpft nebeneinander, als es draußen still geworden ist. Ich bin müde und aufgekratzt zugleich. Der Tag zieht an mir vorbei, lässt mir keine Ruhe. In der Vertrautheit der Dunkelheit erzähle ich Marek von meinem Ausflug in die Stadt. Ich verschweige den Zettel, stelle es als eine spontane Idee dar. Aber ich erzähle. Meine Erlebnisse klingen belanglos.
    Ich denke, dass ich gern mir ihm da gewesen wäre. Stelle mir vor, was er mir gezeigt hätte. Orte, die er mag oder Sehenswürdigkeiten.
    »Ich finde das gut«, flüstert er, »Ich hätte …« Er spricht nicht weiter.
    Ich hätte das schon längst einmal tun können. Warum brauchte ich dafür erst einen dummen Zettel? Warum habe ich auf Marek gewartet? Mir wird klar, dass ich genau das gesehen habe, was ich wollte. Dass ich eine Vorstellung vom Leben dort gewonnen habe. Unabhängig von ihm. Dass Marek es mir nicht hätte zeigen können. Er hätte mich in seine Welt geführt. Ich hätte sie gern kennen gelernt. Aber davon kann ich keine Entscheidung abhängig machen.
    Meine Hand sucht in der Dunkelheit nach ihm und ich wende mich ihm zu.
    Ich habe zuvor die Verantwortung immer nur auf ihn geschoben. Auf seine Initiative gewartet. Ihm unsere Fehler zur Last gelegt. Zu viel von ihm erwartet. Wie bequem ich war. Ich schmiege mich an ihn, küsse seine Schulter, um Entschuldigung bittend.
    Neue Bilder

    Ich höre auf den Regen. Er wird vom Wind gegen die Fensterscheiben getrieben. Nachhut des Gewitters von gestern Abend. Marek schläft, von mir weg gedreht. Ich liege schon lange wach. Der Wind fegt über die Dachschindeln,
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