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Beiss mich - Roman

Beiss mich - Roman

Titel: Beiss mich - Roman
Autoren: Eva Voeller
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Notwehr um.«
    Schimanski steckte rasch die Pistole ein.
    Martin ließ die Zähne wieder verschwinden. »Was wollen Sie?«, fragte er kühl.
    Schimanski seufzte abgrundtief. »Wenn ich das nur selber wüsste. Was soll ich dazu sagen?« Er hielt kurz inne und dachte nach, dann fuhr er versonnen fort: »Es war von jeher das Unglaubliche, das Unfassbare, das mich in seinen Bann gezogen hat. Seit früher Jugend war ich ein begeisterter Anhänger von allen möglichen Grusel- und Gespenstergeschichten. Vor allem die Vampire hatten es mir angetan. Jeder Film, jedes Buch zu dem Thema zog mich magisch an. Später verfeinerte sich mein Geschmack, wie es allgemein im Erwachsenenalter üblich ist, doch ich blieb dem Genre treu.«
    »Er hat Die Chronik der Vampire gelesen«, warf ich ein.
    Schimanski lächelte nachsichtig. »Aber ja. Und vieles mehr. Alles darüber, möchte ich meinen. Mein Interesse war grenzenlos. Sie kennen doch die althergebrachte Weisheit, wonach in Phantastereien immer ein bisschen Wahrheit steckt. Ich habe es immer mit aller Kraft gesucht, dieses Körnchen Wahrheit.«
    »Jetzt haben Sie es gefunden«, sagte Martin abwartend. »Und nun? Freund oder Feind?«
    Schimanski griente und fuhr sich mit den Fingerspitzen über das stoppelbärtige, übernächtigte Gesicht. »Blöde Frage. Wer möchte euch schon zum Feind haben?«
    *
    Der Rest ist rasch erzählt.
    Was Schimanski betrifft, so wurde wirklich das Unfassbare wahr, denn er avancierte, man möchte es kaum glauben, zu Martins und meinem Renfield.
    Hierzu muss ich nochmals ein wenig ausholen.
    Es fing damit an, dass er unseren überstürzten Aufbruch mit der Bemerkung bremste, dass wir vollkommen sicher seien, solange er die Dinge koordinierte. Martin und ich brauchten nicht lange, um einzusehen, dass er recht hatte. Es ergab wenig Sinn, kopflos zu verschwinden, ohne für die Beseitigung verräterischer Spuren Sorge zu tragen. Anderenfalls hätten wir erst recht die Aufmerksamkeit der Behörden auf uns gelenkt. Nach Lage des Falles kam für uns im Grunde nur ein sorgfältig bis ins Detail geordneter Rückzug infrage. Schimanski erklärte uns das sehr überzeugend, und von da an war er unser Komplize, ohne dass wir darüber diskutieren mussten.
    In einer gemeinschaftlichen Nacht- und Nebelaktion beförderten wir Frau Herberichs sterbliche Hülle in den nahegelegenen Wald, wo Martin und ich binnen Minuten mit bloßen Händen eine vier Meter tiefe Grube aushoben und die erstarrende Leiche unter den Wurzeln eines Baumes versenkten.
    Es war eine grausige, übel riechende Angelegenheit, und ich musste zwischendurch immer wieder aufhören, weil mich Heul- und Würgekrämpfe schüttelten. Schließlich machte Martin allein weiter.
    Schimanski stand während der ganzen Aktion Schmiere und informierte uns derweil leutselig, dass er schon immer sehr gerne gereist sei und auch gegen häufige Umzüge nichts einzuwenden habe.
    Martin und ich begriffen sofort, dass es sich bei dieser launig hingeworfenen Bemerkung um eine Art Vorstellungsgespräch handelte.
    Nun, um es kurz zu machen: Schimanski ist uns seitdem unentbehrlich. Natürlich bezahlt Martin ihn fürstlich, doch ich bin sicher, Schimanski würde auch umsonst in unseren Diensten bleiben. Eine treuere Seele kann man sich kaum denken, und überdies ist er ein vorzüglicher Gesellschafter und angenehmer Hausgenosse. Wir vertrauen ihm blind, und das will für unsereins eine Menge heißen. Zu mir ist er wie ein Vater, und Martin und er sind die besten Freunde. Schimanskis überragende Intelligenz macht ihn nicht nur zum idealen Planer und Überwacher unserer Umzüge und Reisen sowie zum findigen Beschaffer frischer Blutkonserven, sondern versetzt ihn auch in die Lage, immer wieder neue Ideen zu produzieren, wie unsere Sicherheit zu optimieren ist. Wenn ich abends fernsehe oder einen der Romane lese, die wir regelmäßig übers Internet bestellen, sitzen die beiden Männer oft über das Schachspiel gebeugt, das ich Martin geschenkt habe, und tüfteln Winkelzüge aus, wie diese oder jene Unterkunft schnellstmöglich und tunlichst im Dunkeln zu erreichen sei.
    Momentan halten wir uns in Kanada auf, einem Land, das erfreulich dünn besiedelt ist. Wir leben in einer Blockhütte mit allem Komfort, inklusive einem großen, gemauerten Kamin, in dem Martin Abend für Abend mit fachmännischer Sorgfalt das Anzünden eines Holzstoßes zelebriert.
    Die Hütte ist malerisch gelegen, an einem hübschen, waldgesäumten See – und rund
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