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Being

Titel: Being
Autoren: dtv
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Augen stand die Angst.
    »Kamal?«, fragte ich. »Heißen Sie so?«
    »Ja.«
    Ich nickte in Ryans Richtung. »Können Sie ihn betäuben? Anästhesieren?«
    |34| Kamal zögerte. Er warf einen kurzen Blick auf eine Packung Plastikspritzen, die auf einem Metalltablett bereitlag.
    Ich sagte: »Ich werde ihn töten, wenn Sie es nicht tun.«
    Kamal sah mich noch eine Weile an und für einen Moment dachte ich, er würde gar nichts machen. Ich fing schon an, mich zu fragen, was ich in dem Fall tun würde – ihn erschießen? Alle erschießen? Doch dann sah ich, wie er tief Luft holte. Er nickte und erleichtert registrierte ich, wie er nach der Spritze griff und hinter seinem Gerät hervorkam.
    »Reicht die?«, fragte ich ihn und deutete dabei in Richtung der Spritze in seiner Hand. »Wird ihn die außer Gefecht setzen?«
    Er nickte wieder.
    »Dann los«, kommandierte ich.
    Als er sich neben Ryan niederkauerte und ihm den Handrücken rieb, schoss mir plötzlich ein Schmerz durch den Bauch. Ich legte Coopers Pistole zur Seite und drückte meine Hand gegen die Wunde. Es fühlte sich klebrig an, und als ich hinabschaute, sah ich eine dunkle, wässrige Flüssigkeit – schwärzlich rot und braun – durch meine Finger sickern. Ich presste die Hand fester auf den Bauch.
    Kamal hantierte jetzt mit der Spritze, klopfte dagegen und sah sie an.
    »Na los«, drängte ich. »Rein damit.«
    Er warf mir einen Blick leichter Geringschätzung zu und wollte etwas sagen, doch dann änderte er seine Meinung und stach die Nadel in Ryans Handrücken. Ryan zuckte leicht, dann, fast im selben Moment, erschlaffte er.
    Der Raum war wieder ruhig.
    |35| Weiß und still.
    Nur das Geräusch ängstlichen Atmens, das Summen der Monitore und ein leises Zischen von Gas.

    Es ist merkwürdig, aber während all das geschah, war es, als ob das Ganze gar nicht wirklich wäre. Ich wusste, dass es geschah, und ich wusste auch, dass es Realität war. Ich wusste, es erschreckte mich zu Tode, doch ich konnte es zu diesem Zeitpunkt nicht als das sehen, was es war. Es war bloß irgendetwas, das stattfand: Geräusche, Bewegung, Worte, Gefühle, Absichten. Die Bestandteile eines Ereignisses. Mehr nicht.
    Ein Ereignis.
    Ich durchlebte es bloß.
    Es lief automatisch ab.
    Aber jetzt, während ich es noch einmal durchspiele, während ich auf die Dinge zurückblicke, die geschehen sind, und auf das, was ich getan habe … jetzt ist es
alles
. Es gibt überhaupt nichts anderes mehr. Es ist das Einzige auf der Welt, die
umbringendste
Sache der Welt. Und auch wenn die Erinnerung daran nichts weiter als eine Erinnerung ist, reicht sie noch immer, um mich zu zerbrechen und aufzuzehren.

    Über Ryans bewusstlosen Körper gebeugt sah Kamal mich an und wartete darauf, dass ich etwas sagte.
    »War’s das?«, fragte ich ihn und warf einen Blick auf Ryan.
    Kamal blinzelte. »Ja.«
    »Wie lange hält die Betäubung an?«
    Er zuckte die Schultern. »Eine halbe Stunde.«
    Ich sah hinüber zu Casing und Cooper. Casing stand immer |36| noch mit dem Blick zur Wand, aber Cooper schaute über die Schulter hinweg auf Ryan. Er war nicht zufrieden mit dem, was er sah, und als sich seine Augen verdunkelten und er zu mir herüberblickte, nahm ich mir wieder seine Pistole.
    »Herkommen«, befahl ich.
    Er drehte sich langsam um und bewegte sich auf mich zu, mit Bewegungen wie ein großer, böser Hund –
tapp tapp tapp
–, die Lippen schweigend verkrampft. Als er den Raum halb durchquert hatte, befahl ich ihm, stehen zu bleiben, doch er tat es nicht. Er kam einfach weiter auf mich zu und wurde mit jedem Schritt größer und immer größer. Ich hob beide Pistolen und befahl ihm noch einmal, stehen zu bleiben, doch ich wusste, er würde es nicht tun. Sein Blick war kalt, es reichte ihm. Meine Hände fassten die Waffen und ich richtete sie beide auf seinen Kopf. Ich schaute über die Läufe hinweg und sah ihn näher und immer näher kommen – noch fünf Schritte, vier, drei, zwei – und dann, gerade als er mich packen wollte, stieß ich ihm, schnell und hart, beide Pistolen krachend ins Gesicht –
krachkrach
. Die Nase brach und er krümmte sich, stöhnend vor Schmerz. Ich traf ihn noch einmal, hämmerte ihm beide Pistolenläufe gegen den Schädel und der Riese ging zu Boden und lag reglos da.

    Ich war schon immer stärker, als ich aussehe. Viel stärker. Ein übler Typ in einem der Heime, in denen ich war, wollte sich mal mit mir anlegen. Als ich ihn dann zusammenschlug, hätte ich ihn fast
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