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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages
Autoren: Sveva Casati Modignani
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übrig, als jemanden zu bitten, sie mitzunehmen. Sie stellte sich an den Straßenrand, hob einen Arm und winkte, um den näher kommenden Sportwagen anzuhalten. Der Fahrer wurde langsamer und bog in die Haltebucht ein. Er kurbelte das Fenster herunter und fragte: »Was ist denn los?« Er hatte ein ernstes, schönes Gesicht und sprach mit einem starken französischen Akzent.
    Â»Ich habe eine Reifenpanne«, erklärte Léonie auf Französisch. Obwohl sie völlig durchnässt war, blieb der Mann in seinem Wagen sitzen und fragte: »Haben Sie keinen Ersatzreifen?«
    Â»Keine Ahnung, und selbst wenn, könnte ich ihn nicht montie ren. Ich habe so etwas noch nie gemacht«, erwiderte Léonie gereizt, weil der Mann so gleichgültig war.
    Da stieg er aus. Er hatte eine eindrucksvolle Statur, trug einen Skianorak und bequeme pelzgefütterte Stiefel. Er setzte die Kapuze seines Anoraks auf und sagte fest entschlossen: »Gut, dann lernen Sie jetzt, wie das geht.«
    Â»Hören Sie, vergessen Sie’s! Nehmen Sie mich nur bis zum nächsten Ort mit«, bat sie ihn.
    Wortlos fasste er sie am Arm und führte sie zu ihrem Lancia.
    Â»Ã–ffnen Sie den Kofferraum!«, befahl er. »Ich sage Ihnen jetzt, was Sie tun müssen, und Sie wechseln den Reifen. Sie sollten es lernen, wenn Sie Auto fahren.«
    Léonie war zu verblüfft, um dem etwas entgegenzusetzen, und öffnete den Kofferraum.
    Â»Da, sehen Sie. Hier ist weit und breit kein Ersatzreifen«, sagte sie zu dem Fremden.
    Â»Heben Sie die Matte hoch. Ja, genau so! Dort ist der Ersatzreifen. Und wenn Sie genau hinschauen, sind da auch Schraubenschlüssel und ein Wagenheber, um das Auto aufzubocken.«
    Â»Das Auto aufbocken?«, wiederholte Léonie fassungslos.
    Â»Nur so kann man einen Reifen wechseln«, erklärte er gelassen, was sie erst recht zur Weißglut trieb.
    Schicksalsergeben, aber extrem gereizt sagte Léonie leise: »Und was muss ich sonst noch machen?«
    Â»Mit dem Schraubenschlüssel lockern Sie die Schrauben. Anschließend nehmen Sie den Ersatzreifen aus dem Kofferraum.«
    Sie standen nach wie vor im Regen, nur trug er wasserfeste Kleidung, während Léonies Mantel schon völlig durchweicht war.
    Â»Sie sind wirklich der unfreundlichste Mensch, dem ich je begegnet bin«, beschwerte sie sich, befolgte aber seine Anweisungen.
    Â»Tatsächlich? Meine Freunde sehen das anders, sie finden mich sogar äußerst sympathisch. Aber lassen Sie uns keine Zeit verlieren. Jetzt schieben Sie den Wagenheber unter das Auto und kurbeln.«
    Â»Es hebt sich tatsächlich! Wer hätte das gedacht!«, jubelte Léonie verblüfft.
    Â»Lösen Sie die Schrauben und ziehen Sie den Reifen ab«, fuhr er ungerührt fort. »Das Schwierigste ist geschafft. Jetzt müssen Sie nur noch den Ersatzreifen montieren, die Muttern wieder festziehen und den Wagen herunterlassen.«
    Wortlos befolgte sie sämtliche Anordnungen und beschränkte sich ansonsten darauf, diesen Landsmann zu hassen, der keinen Finger krumm machte, um ihr zu helfen.
    Seit sie in Italien lebte, hatte sie oft wenig schmeichelhafte Bemerkungen über die Franzosen und ihre arrogante Art gehört. Jetzt wusste sie, dass die Italiener recht hatten.
    Â»Sie waren fantastisch!«, rief er zufrieden, nachdem er kontrolliert hatte, ob alles in Ordnung war.
    Â»Das kann doch nicht sein … Ich habe es tatsächlich geschafft!«, staunte Léonie.
    Der Regen, der ihren Mantel und ihre Schuhe durchnässt hatte, war ihr egal, genauso wie die Kälte, die sie zittern ließ.
    Â»Sehen Sie? Das war doch gar nicht so schwer!«, bemerkte er und verzog die Lippen zu einem breiten Lächeln.
    Auch Léonie lächelte, als sie sagte: »Herzlichen Dank! Meinen Sie, ich kann jetzt gefahrlos weiterfahren? Nicht dass der Reifen, den ich montiert habe, gleich abfällt.«
    Â»Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet … Besser kann man das gar nicht machen. Wohin müssen Sie denn?«
    Â»Ich muss noch eine Stunde fahren, bei dem Verkehr vielleicht sogar noch länger.«
    Â»In diesem Zustand geht das nicht. Sie sind ja völlig durchnässt. Mein Hotel ist gleich in der Nähe. Steigen Sie ein und folgen Sie mir. Sie müssen erst wieder trocken werden und etwas Heißes trinken.«
    Â»Das macht nichts, wirklich nicht …«, begann sie, weil sie nach Hause
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