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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages
Autoren: Sveva Casati Modignani
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durchsucht hätte. Damit ich dich erreichen, dich fragen kann, wie es dir geht, damit ich dir sagen kann, wie sehr du mir fehlst«, gestand er ihr.
    Â»Mir geht es genauso. Findest du nicht, dass wir verrückt sind?«
    Â»Wir sind zwei verantwortungsbewusste Menschen, die einmal im Jahr einen wunderschönen Traum leben«, erwiderte er und streichelte ihre Hüfte.
    Sie bekam Gänsehaut, als sie seine warme Hand auf ihrer nackten Haut spürte, und küsste ihn auf den Mund. Sie liebten sich zärtlich.
    Dann schliefen sie unter den weichen Decken des großen Betts ein, in das sie sich schon seit vielen Jahren flüchteten.
    Als Léonie wach wurde, war es fast dunkel im Zimmer.
    Roger schlief neben ihr und hatte die Decke bis unters Kinn gezogen. Sie stand auf, schlüpfte in den hoteleigenen Frotteebademantel und trat an die Terrassentür.
    Der See war kaum zu sehen, und an der Küste Bellagios flammten die ersten Lichter auf. Sie ging zum Salon hinüber und schloss lautlos die Zimmertür. Sie machte eine Lampe an und nahm ihre Uhr aus der Handtasche, die sie auf dem Sofa hatte liegen lassen. Es war kurz vor drei. Vom großzügig gefüllten Obstteller nahm sie eine Handvoll bernsteinfarbener Trauben. Sie machte es sich in einem Sessel gemütlich und probierte von den süßen Früchten. Sie war richtig ausgehungert.
    Â»Ertappt!«, scherzte Roger, als er die Tür öffnete. Er hatte sich eine Decke um die Hüften gewickelt und setzte sich ihr gegenüber aufs Sofa. »Wie spät ist es?«
    Â»Fast drei, und wir haben noch nicht zu Mittag gegessen.«
    Â»Dafür haben wir uns anderen Genüssen hingegeben«, sagte er lächelnd, nicht ohne hinzuzufügen: »Ich habe den üblichen Tisch im Hafenrestaurant bestellt.«
    Â»Dann lass uns gehen, sie werden bestimmt auch jetzt noch einen Tisch für uns haben«, schlug sie vor.
    Als sie sich kennengelernt hatten, war sie zwanzig und er zweiunddreißig. Sie war frisch verheiratet, er ein angesehener Gynäkologe in der Uniklinik von Marseille. Inzwischen hatte er Karriere gemacht und war dort Oberarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe.
    Schon damals hatten ihr seine imposante Gestalt und sein ernstes Gesicht Respekt eingeflößt. Aber wenn er lächelte, hellten sich seine Züge auf.
    Er hatte sich in all den Jahren kaum verändert. Sein kastanienbraunes Haar war mittlerweile grau an den Schläfen, die Falten an beiden Seiten des Mundes waren tiefer geworden, aber nach wie vor hatte er eine schlanke, sportliche Figur.
    Â»Wer geht zuerst ins Bad?«, fragte Roger, der sich bereits erhob.
    Â»Ich!«, rief Léonie und stürmte vor ihm ins Bad wie eine Hundertmeterläuferin.
    Schließlich duschten sie gemeinsam, lachten und spielten mit dem Wasser wie kleine Kinder.
    Wie in allen Orten am See bekam man auch in Varenna rund um die Uhr etwas zu essen. Als sie das Restaurant betraten, waren sie nicht die einzigen späten Mittagsgäste. Auch andere waren gerade erst bei den Antipasti.
    Eine Kellnerin schlug Léonie und Roger das Tagesmenü mit Seefisch vor, doch beide bestellten Spaghetti mit Tomatensoße und Basilikum sowie einen Kalbsbraten mit Ofenkartoffeln.
    Â»Und, wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Roger und streichelte Léonies Hand. Damit meinte er die Ereignisse des vergangenen Jahres.
    Â»Wie du weißt, sind alle Kinder aus dem Haus, auch Giuditta, die Jüngste. Sie kommt heute aus Genf zurück, vermutlich holt mein Mann sie vom Flughafen ab. Giuseppe, der Älteste, hat Fiona, die arrogante Amerikanerin, geheiratet, aber das habe ich dir bereits erzählt. Sie haben eine Tochter, Margaret, die jetzt drei Monate alt ist. Sie kommen in zwei Tagen aus New York, genau wie Gioacchino und sein Lebensgefährte Peter, allerdings aus London. Gioia besucht uns aus Paris. Sie bringt ihren neuen Freund mit, der im Elysée-Palast arbeitet, und Giacinta trifft aus Rom ein. Wie immer werden wir die Feiertage gemeinsam verbringen. Und du?«
    Â»Ich bin zum dritten Mal Opa geworden. Alain, der Älteste, hat im Januar noch ein Kind bekommen. Sophie ist hypernervös, angeblich sind die anstrengenden Enkel der Grund. Hätte ich an Weihnachten Dienst, würde sie liebend gern die vernachlässigte Ehefrau spielen und schon früher nach St. Moritz fahren – einen Ort, den ich hasse.«
    Â»Das tut mir leid« sagte
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