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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages
Autoren: Sveva Casati Modignani
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Produktion, zur Geschäftsführung und zur zukünftigen Investitionsplanung bestürmt.
    Giacinta spezialisierte sich in Rom auf Antikenrestaurierung. Neugierig befasste sie sich mit den Skizzen und Zeichnungen der jüngsten Armaturen-Modelle. Schon mehrmals hatte sie gesagt: »Ich liebe das Restaurieren, aber mich deprimiert, wie beschränkt unsere finanziellen Mittel sind. Wer weiß, vielleicht verliere ich irgendwann die Geduld und arbeite mit dir zusammen.«
    Léonie setzte keines ihrer Kinder unter Druck und wartete auf den Tag, an dem sie von sich aus zu ihr kommen würden.
    Gioacchino war seit Jahren mit Peter zusammen, der für den Sunday Mirror schrieb. Er war ein sympathischer Mensch und ein fantastischer Journalist, aber so besitzergreifend, dass Gioacchino langsam ungeduldig wurde. Immerhin war es Peter zu verdanken, dass Gioacchino es geschafft hatte, offen zu seiner Homosexualität zu stehen. Die Familie Cantoni hatte ihn und seinen Lebensgefährten ohne jedes Drama akzeptiert. Aber Léonie war sich sicher, dass er sich früher oder später von Peter trennen und wieder nach Villanova zurückkehren würde.
    Giuditta war ihr noch ein Rätsel: Sie war sechzehn, ging auf ein Schweizer Internat, hasste Sport und las in ihrer Freizeit hauptsächlich Liebesromane. Im Unterschied zu ihren Schwestern, die zwar manchmal den Kopf in den Wolken trugen, aber dafür mit beiden Beinen fest auf der Erde standen, ließ sie sich treiben, ohne ein Bedürfnis nach Halt zu haben. Sie wurde eben einfach langsamer erwachsen als ihre anderen vier Kinder, sagte sich Léonie.
    Kurz vor Mitternacht hatten sie alle gemeinsam die Messe in der Dorfkirche besucht.
    Onkel Giacchino war schon vorausgegangen, da er zusammen mit dem Pfarrer den Gottesdienst feiern wollte.
    Am nächsten Morgen hatten Guido, sein Vater und Léonie wie jedes Weihnachten die alten Leute in der Seniorenresidenz besucht, Geschenke verteilt und in die strahlenden Gesichter der Heimbewohner und ihrer Verwandten geschaut. Anschließend hatte sich die Familie unter dem gestrengen Blick des alten Nesto am Tisch versammelt, der die Kellner dirigierte wie ein Orchester.
    Traditionsgemäß erhob sich Cavalier Cantoni und hielt seine Ansprache, die er wie immer mit folgendem Satz begann: »Wieder einmal habe ich anlässlich der Geburt unseres Herrn das Vergnügen, euch alle hier versammelt zu sehen.« Er gedachte seines Vaters Amilcare, seiner Mutter Bianca Crippa, seiner geliebten Celina, deren guter Geist bestimmt über sie wachte. Wie immer sagte er ganz gerührt: »Ich weiß nicht, wie viele Weihnachtsfeste mir der liebe Gott noch schenken wird, denn ich bin inzwischen ein alter, kranker Mann. Aber ich danke ihm dafür, dass es meinen Bruder und mich, mit dem ich gemeinsam eine schwierige Kindheit verbracht habe, immer noch gibt. Meinen Sohn, der leider nicht in meine Fußstapfen treten wollte, und meine Schwiegertochter, die nach wie vor aussieht wie ein junges Mädchen, schier übermenschliche Kräfte besitzt und inzwischen die tragende Säule unserer Firma ist, sowie meine Enkel, die, dem Himmel sei Dank, alle schön und gesund sind und von denen ich hoffe, zumindest von einigen, dass sie die Liebe zu unserer Firma weitergeben …« Er verstummte, um eine Träne fortzuwischen, und schloss mit den Worten: »Euch allen frohe Weihnachten!«
    Renzo Cantoni setzte sich. Monsignor Gioacchino machte das Kreuzzeichen, und die anderen taten es ihm nach. Nach dem Segen konnten sie sich dann dem Essen widmen.
    Erst am späten Nachmittag gelang es Guido und seiner Frau, sich in ihr privates Wohnzimmer zurückzuziehen.
    Erschöpft ließen sie sich aufs Sofa fallen, während das Dienstmädchen, das zwei Tassen und eine Kanne Kräutertee auf den Tisch gestellt hatte, den Raum verließ.
    Â»Wie fandest du es?«, fragte Guido, während er den aromatischen Aufguss einschenkte.
    Â»Schön wie immer. Und was sagst du?«
    Â»Wunderbar! Hoffen wir, dass unsere Kinder wirklich so sind, wie sie wirken, nämlich glücklich und ausgeglichen.«
    Â»Auch ich hoffe, dass sie keine Enttäuschungen oder schlimmen Sorgen erleben müssen.«
    Â»Und wenn eines dir sagen würde, dass es ein Riesenproblem hat, das es schon seit Jahren heimlich mit sich herumträgt …«
    Â»Ich kenne die Cantonis inzwischen so gut, dass ich ihm raten würde:
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