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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages
Autoren: Sveva Casati Modignani
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hatte das Kind gefragt, das den Satz sofort aufgeschnappt hatte.
    Â»Was meinst du damit?«, hatte sie ertappt entgegnet.
    Â»Das weißt du genau. Warum sagst du es mir nicht?«
    Â»Ich habe daran gedacht, dass Schokotorte und Obsttorte mit Zitronencreme das Beste sind, was es gibt. Und ich kann mich zwischen beidem nie entscheiden«, hatte sie gesagt und sich vorgestellt, zwischen Guido und Roger wählen zu müssen.
    Â»Wieso denn entscheiden? Ich esse alle beide!«, hatte der Junge erwidert.
    Â»Das ist eine hervorragende Idee«, hatte Léonie lachend verkündet.
    Kurz darauf war das Kind in ihren Armen eingeschlafen.
    Jetzt sagte Guido zu seinem Sohn: »Die einzige Methode herauszufinden, was einem besser gefällt, besteht darin, von beidem zu kosten.«
    Â»Aber die Mama hat davon gekostet und sagt, dass ihr bei des schmeckt«, wandte der Junge ein, anstatt wie befohlen zu schweigen.
    Â»Tatsächlich? Ich wusste gar nicht, dass du so ein Schleckermaul bist«, sagte Guido zu seiner Frau.
    Â»Darum geht es nicht. Wie soll man sich zwischen zwei Dingen entscheiden, die man liebt, obwohl man ganz genau weiß, dass man sich nur für eines entscheiden darf?«, mischte sich Giuseppe ein und wandte sich an den Großvater, den er als oberste Autorität betrachtete.
    Â»Am besten, man sucht sich etwas Drittes, das einem noch besser gefällt. Damit ist das Problem gelöst«, meinte Gioia, die eher pragmatisch veranlagt war.
    Â»Es gibt Dinge, für die gelten keine Regeln. In diesem Fall kommt nur ein Kompromiss infrage. Und um wieder auf die beiden Torten zurückzukommen, die deiner Mutter so schmecken«, erwiderte der Großvater und wandte sich an die Schwiegertochter: »Da genügt es, beide Portionen zu verkleinern und sowohl die eine als auch die andere zu essen.«
    Guido lächelte seiner Frau zu und schlussfolgerte: »Manchmal gibt es eben nichts Besseres als eine anständige Portion Schokotorte, um die Laune zu heben.«
    Kurz fragte sich Léonie, was ihr Mann wohl damit meinte, aber sein heiterer, gelassener Gesichtsausdruck beruhigte sie.

2
    E s gab Abende, an denen Léonie und ihr Schwiegervater allein im roten Salon am Kamin saßen und redeten. Wenn die Kinder im Bett waren und Guido in Rom und es auch sonst keine Gäste gab, ließ der Patriarch seinen Gedanken freien Lauf – wohl wissend, dass ihm seine Schwiegertochter aufmerksam zuhörte.
    Léonie war intelligent und verfügte über einen außergewöhnlichen Geschäftssinn. Renzo hegte väterliche Gefühle für sie, aber da er recht störrisch war, sagte er ihr nicht »Ich hab dich lieb« oder machte ihr ein Kompliment über ein geglücktes Geschäft oder einen interessanten Vorstoß. Stattdessen meinte er: »Das kannst du noch besser.«
    Die Schwiegertochter, die ihn inzwischen gut kannte, reagierte mit einem liebevollen Lächeln, ohne auf seine Provokation einzugehen.
    Eines Abends im April, als es draußen gewitterte und der alte Herr an einem Goldmohntee nippte, den Nesto zubereitet hatte, schlug sie vor: »Ich habe mir überlegt, dass wir eine Kinderkrippe für den Angestelltennachwuchs einrichten sollten. Dann könnten die jungen Mütter nach der Geburt ihrer Kinder leichter wieder in den Beruf einsteigen, ohne sich Sorgen machen zu müssen, wo sie die Kleinen lassen sollen. In Japan und anderen Ländern wirken sich Firmenkrippen positiv auf die Arbeitsleistung aus.«
    Â»Reichen dir der Kindergarten, das Armaturen-Museum und die Kantine, die du in ein Restaurant mit freier Speisenwahl umgewandelt hast, immer noch nicht? Jetzt kommst du auch noch mit so einem Unsinn an!«, rief Renzo wie immer barsch.
    Â»Hätte es eine firmeneigene Kinderkrippe gegeben, hätte ich nicht so viel kostbare Zeit verloren und früher und effektiver wieder arbeiten können«, beharrte sie, ohne sich von der Reaktion ihres Schwiegervaters auch nur im Geringsten entmutigen zu lassen.
    Â»Du bekommst den Hals wirklich nie voll! Weißt du überhaupt, was so etwas kostet? Mal abgesehen von den ganzen bürokratischen Hindernissen, die überwunden werden müssen. Ahnst du überhaupt, was einem blüht, wenn man gegen die Regeln und Kontrollen des Gesundheitsamts verstößt? Und wo soll diese Krippe überhaupt hin?«, fragte er, schon ein wenig neugieriger.
    Â»Zwischen der Fabrik und den Büros
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