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Bei Anbruch des Tages

Bei Anbruch des Tages

Titel: Bei Anbruch des Tages
Autoren: Sveva Casati Modignani
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sich.
    Léonie tat es ihm gleich, ließ aber nicht locker.
    Â»Und?«
    Â»Meine Frau wollte nach Italien mitkommen. Diesmal findet unsere Konferenz in Mailand statt. Ich habe sie heute Morgen mit den Frauen meiner Kollegen im Hotel zurückgelassen. Hoffentlich geht sie einkaufen und lenkt sich etwas ab.«
    Â»Ich komme mir vor wie ein Eindringling … Das tut mir leid. Wie hast du dich gerechtfertigt?«
    Â»Ich habe ihr die Wahrheit gesagt.«
    Â»Soll das ein Witz sein?«
    Sie waren wieder im Salon ihrer Suite.
    Â»Nein, das ist mein voller Ernst. Ich habe ihr gesagt, dass ich erst nachmittags wieder zurückkomme. Und da sie mich begleiten wollte, habe ich ihr erklärt, dass das nicht geht, weil ich mich mit meiner Geliebten treffe.«
    Â»Meine Güte, Roger! Das hättest du nicht tun sollen. Wir haben uns doch geschworen, weder meinen Mann noch deine Frau zu verletzen.«
    Â»Ich habe sie auch gar nicht verletzt. Sie hat mich nur überrascht angesehen und dann laut gelacht. Anschließend wollte sie wissen, wann ich endlich einmal ernst sei. Glaub mir, es gibt keine bessere Methode, Unglauben zu ernten, als die Wahrheit zu sagen. Sie ist fest davon überzeugt, dass ich den Tag auf der Skipiste verbringe. Und sollte sie doch Verdacht schöpfen, wird sie sich hüten, das zu sagen, da ich die übrigen dreihundertvierundsechzig Tage im Jahr ein perfekter Ehemann bin.«
    Sie verließen das Hotel und gingen in ihr Stammlokal.
    Â»Auch mein Mann wird sich fragen, was ich auf meinen geheimnisvollen vorweihnachtlichen Ausflügen so treibe. Aber offensichtlich spricht er mich lieber nicht darauf an«, überlegte Léonie laut.
    Â»Wir beide verschwinden schon seit vielen Jahren am gleichen Tag kurz vor Weihnachten. Wir würden die Intelligenz unserer Partner beleidigen, wenn wir glaubten, sie vermuteten in unserem Leben kein Geheimnis.«
    Â»Und das soll es auch bleiben!«, sagte Léonie entschieden.
    Doch als sie vor dem alten Kamin saßen, in dem das Holz knisterte, nahm Roger den Faden wieder auf.
    Â»Unsere Liebesgeschichte wird so lange ein Geheimnis bleiben, bis dein Mann oder meine Frau beschließen, Fragen zu stellen«, sagte er.
    Â»Roger, wir haben nur einen einzigen Tag im Jahr für uns. Wollen wir nicht über etwas anderes reden?«, schlug sie vor.
    Â»Wir können nicht so sein wie sie und den Kopf in den Sand stecken!«
    Â»Also reden wir darüber.«
    Â»Angenommen, dein Mann würde dich mit mir ertappen. Was würdest du tun?«
    Â»Dann müsste ich ihm das mit uns beichten und wäre gezwungen, mich zu entscheiden: für ihn oder für dich«, überlegte Léonie laut.
    Â»Dann müsstest du dich fragen, was du wirklich für mich empfindest.«
    Â»Das Gleiche gilt für dich, wenn deine Frau dich mit mir erwischen würde.«
    Â»Ich würde mich für dich entscheiden, aber ich bin auch keine Mutter von fünf Kindern, von denen das jüngste erst wenige Monate alt ist.«
    Â»Ich fühle mich meinem Mann und seiner Familie sehr nahe, von meinen Kindern ganz zu schweigen. Ich verdanke Guido sehr viel. Bevor ich ihn kennengelernt habe, war ich ein einsames, unglückliches Mädchen. Er hat mir alles gegeben, was ich mir jemals gewünscht habe: ein Haus, eine Familie, finanzielle Sicherheit, aufrichtige Zuneigung. Aber die Leidenschaft, nach der ich regelrecht ausgehungert bin, wie du gesagt hast, habe ich bisher nur mit dir erlebt«, gestand sie offen.
    Â»Aber wenn du wählen müsstest?«
    Â»Roger, ça suffit! Sollte es je dazu kommen, werde ich es dich wissen lassen. Und du hältst es bitte genauso. Im Moment möchte ich mich auf die wenigen Stunden mit dir konzentrieren, die ich noch habe. Und jetzt lass uns bestellen!«
    Als sie ins Hotel zurückkehrten, herrschte in dem Raum neben der Lobby ein Riesentumult. Zwei Musiker mit Gitarre und Akkordeon stimmten ihre Instrumente.
    Â»Verzeihen Sie bitte, aber meine Tochter hat letzte Woche ihr Studium abgeschlossen und möchte das mit ihren Freunden feiern. Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn es etwas lauter wird«, entschuldigte sich die Hotelbesitzerin.
    Â»Ich mag Musik«, meinte Léonie.
    Â»Aber Ihre Suite liegt direkt über diesem Saal. Ich musste mich entscheiden, ob ich die Ruhe meiner Gäste wahren oder meiner Tochter eine Freude machen will. Da habe ich mir gesagt, dass Kinder
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