Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nicht lecker, aber Weltrekord

Nicht lecker, aber Weltrekord

Titel: Nicht lecker, aber Weltrekord
Autoren: Katinka Buddenkotte
Vom Netzwerk:
Exquisiter wohnen
    Auch ich habe auf die Wirtschaftskrise reagiert – ich bin mit meinem Freund zusammengezogen.
    Am Vorabend dieses Umzuges ließ mich mein Vater meinen Freund an den Telefonhörer holen, um ihn in das große Geheimnis des eheähnlichen Zusammenlebens einzuweihen.
    »Höre, o Freund meiner Tochter, was ich zu verkünden habe«, tönte mein Vater, »denn ich habe ein Geschenk für euch. Ich werde euch das höchste Gut schenken, das den Menschen überhaupt zuteil werden kann: die Freiheit. Und zwar in Form einer Spülmaschine. Denn ohne eine Spülmaschine ist jede Beziehung zum Scheitern verurteilt. Denn wisse, Freund meiner Tochter: Notfalls funktioniert es zwar für drei, vier Wochen ohne den anderen, aber niemals, hörst du, niemals ohne Spülmaschine.«
    Wie üblich nahm sich mein Freund die Worte meines Vaters sehr zu Herzen. Insgeheim denke ich, dass die beiden sehr wohl ohne eine Spülmaschine zusammenleben könnten, selbst in einer winzig kleinen Hütte, deren Wände und Mobiliar ausschließlich aus gefüllten Bitburger-Kästenmit Internetzugang bestehen, aber das ist eine andere Geschichte, die sich wohl erst im kommenden Monat zutragen wird. Doch zurück zu meinem Vater.
    Auch wenn mein Vater ein weiser Häuptling ist, so ist er selbstverständlich einer höheren Macht gegenüber zum Rapport verpflichtet: meiner Mutter. Und ähnlich wie der große Manitu geht meine Mutter zwar grundsätzlich mit den Ideen meines Vaters d’accord, muss sie jedoch immer noch ein wenig verfeinern. Sie wollte mich am Telefon sprechen.
    »Aber dann bekommt ihr eine neue Spülmaschine. Mit Garantie drauf. Aus dem Fachmarkt. Und die sollen die auch direkt anschließen«, ließ sie mich wissen.
    Recht hatte sie, wie immer. Denn während mein Vater ein äußerst fantasiebegabter Mensch ist, der meinem Freund durchaus zutraut, eine fast fabrikneue Spülmaschine aus dem Gebrauchthandel zu erfeilschen, diese dann schnurstracks auf einem eiligst angemieteten Anhänger zu verschnüren, in das dritte Stockwerk zu unserer Wohnung hinaufzubalancieren und nach einem kurzen, verständnisvollen Nicken durch zwei geschickte Handgriffe anschließen zu können, auf dass ein freudiges, funktionstüchtiges Surren ertönen möge, so lebt meine Mutter immer noch auf demselben Planeten wie wir. Sie weiß, dass mein Freund zwar erhobenen Hauptes eine Leopardenfellweste mit korrespondierenden Stiefeletten tragen kann, aber niemals eine Spülmaschine auch nur drei Meter weit. Dieser durchaus realistischen Einschätzung eingedenk wurden mein Freund und ich bereits am folgenden Tag komplett entmündigt.
    Mein Vater wurde nach Köln befohlen, um sämtliche Elektrofachgeschäfte in Köln und Umgebung auf ihre Spülmaschinentauglichkeit hin zu überprüfen. Und ich wurde mit ihm geschickt, um wenigstens die Kunst des Schacherns von ihm zu erlernen.
    Wenn mein Vater etwas kann, dann Ahnung von Dingen vortäuschen, von denen er nicht die geringste hat. Sein Trick besteht darin, dass er sich selbst schon längst von der Tatsache überzeugt hat, dass er, auf welchem Gebiet auch immer, Experte ist, den Fachjargon sowieso draufhat und seine charmante Art den Rest erledigen wird. So sehr ich meinen Vater auch liebe – wenn ich mit ihm zusammen einkaufen gehe, bete ich insgeheim, dass Genetik doch nur eine Erfindung der Russen ist.
    Als Erstes suchten wir eine Saturn-Filiale heim. Munter trat mein Vater gegen jedes Gerät, jeweils dorthin, wo er wohl die Felgen einer Spülmaschine vermutete, bis er auf diese Weise endlich die Aufmerksamkeit eines Verkäufers erregte.
    »Was bringt die denn so auf hundert Kilometer?«, lautete seine Einstiegsfrage an den armen Servicemitarbeiter, und sie erzielte sofort den gewünschten Effekt: Der verunsicherte Mann kratzte sich am Kopf, gab damit seine Deckung auf und landete im vertraulichen buddenkott’schen Würgegriff.
    »Wir beide wissen doch, dass das alles die gleichen Maschinen sind, nur anders verpackt, anders bemalt, nur mit unterschiedlichen Preisen, oder nicht? Oder was?«
    Der Verkäufer röchelte aus der Armbeuge meines Vaters heraus: »So kann man das aber auch nicht sagen.«
    Wenige Sekunden später erfuhr er, dass man so etwas aber auch nicht so sagen kann oder soll, wenn mein Vater in der Nähe ist. Der unwissende Verkäufer hatte meinen Vater nämlich durch diese unbedarfte Aussage zum Praxistest herausgefordert. Während sich mein Vater das inzwischen beinahe vollständig versammelte Personal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher