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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ist ein Wort, über dessen Sinn man sich noch einigen muß. Freiheit … sie habe ich mir genommen. Aber um die Brüderlichkeit, Genosse, da steht's schlecht! Darum sitze ich hier.«
    »Was soll's?« sagte Lepka rauh. »Stammeln Sie nicht herum, Kolka Iwanowitsch!«
    »Ich bitte um die Papiere für meinen Ziehsohn Dimitri Sergejewitsch Sotowskij.«
    »Ach!« Lepka lächelte böse.
    »Heiraten will er, mein Söhnchen.«
    »Die deutsche Stewardeß Bettina Wolter.«
    »Mein leibliches Töchterchen. Empfinden Sie die Freude und das Glück eines Vaters nach, Genosse.«
    »Man sollte weinen«, sagte Lepka böse. »Oder man sollte Ihnen den Schädel einschlagen. Hat man je schon solche Frechheit gesehen? Flüchtet dieser Kerl Dimitri aus der Sowjetunion, nutzt den ehrenvollen Auftrag in Beirut aus, um sein Vaterland zu verraten …«
    »Er hat nichts verraten!« schrie Kolka und hieb mit der Faust auf den Tisch. »Nichts hat er verraten! Verhört haben sie ihn, und er hat gesagt: Ich liebe mein Rußland! Ich bin Kommunist! Aber ich bin nach Deutschland gekommen, weil ich ein Mädchen liebe.«
    »Ist das Charakter?« schrie Lepka zurück. »Die Liebe zum Vaterland hat stärker zu sein als die Liebe zu einem Weiberrock! Ein schwacher, haltloser Mensch ist dein Dimitri! Und da kommt er noch hierher und will um Papiere betteln! Sage ich es nicht: Eine Provokation ist's!«
    »Brüderlichkeit!« brüllte Kolka. »Ohne Papiere kann er nicht heiraten!«
    »Was braucht er heiraten? Wozu Papiere? Um sich ins Bett zu legen und Kinder zu machen, braucht man keine Fragebogen!«
    »O Himmel, welch ein Mensch sind Sie!« stöhnte Kolka. »Welche Gemeinheit! Kein Herz hat er!«
    Lepka stand auf. So plötzlich sprang er auf, daß der Stuhl umkippte. Im Nebenzimmer erhob sich der Sekretär. Man konnte nie wissen, was gleich passierte.
    »Um es klar zu sagen, Kolka Iwanowitsch: Dimitri Sergejewitsch bekommt weder einen Paß noch ein einziges Fetzchen Papier von uns. Wenn er heiraten will … bitte, er soll zurück nach Tbilisi kommen. Dort wird man ihm die Genehmigung erteilen, ausnahmsweise eine Deutsche zu heiraten. Das ist alles, was ich zu sagen habe.« Lepka grinste breit. »Einer Einreise steht nichts im Wege.«
    »Aber nach der Einreise zehn Jahre Zwangsarbeit in Karaganda«, sagte Kolka dumpf.
    »Man wird das Verhalten des Genossen Sotowskij natürlich untersuchen müssen. Schließlich sind wir ein Rechtsstaat.«
    Kolka Iwanowitsch erhob sich gleichfalls. Er sah ein, hier war mit Bitten nichts zu erreichen. Gedacht hatte er es sich von Anfang an, und er hatte sich selbst gesagt, daß es Dummheit sei, in die Botschaft zu gehen – aber was unternimmt ein Vater nicht alles, wenn es um das Glück seines Kindes geht?
    »Es ist ein trauriger Tag«, sagte er langsam und sah an Lepka vorbei aus dem Fenster und auf den spiegelnden Rhein. »Dimitri wird aufhören müssen, ein Russe zu sein.«
    »Das hat er bereits.« Lepka tat es wohl, solches zu sagen. Man sah es ihm an. Nichts ist befriedigender als die billige Rache eines kleinen Mannes. »Wir haben daran gedacht, daß Sotowskij Schwierigkeiten machen könnte. Das Innenministerium hat ihn ausgebürgert. Wir verzichten auf Menschen, die keine Ehre haben.«
    Kolka atmete tief auf. »Dimitri ist nun Staatenloser?« fragte er heiser.
    »Ja! Er ist vogelfrei! Von uns aus kann er sich wie eine Schwalbe auf einen Telefondraht setzen und sich dort paaren. Sotowskij interessiert uns nicht mehr!«
    »Aber er will doch Russe bleiben!« schrie Kolka. »Er liebt seine Heimat! Sie können einem Russen alles nehmen, das wissen Sie doch … nur nicht das Bewußtsein, noch Russe zu sein!«
    »Wenn er zurückkommt, wird man mit ihm darüber sprechen.«
    Kolka Iwanowitsch hob die Schultern. Das Gespräch war beendet, er wußte es. Er kannte so etwas aus Tiflis, er hatte es selbst so gemacht, tausendmal. Man senkte die Stimme beim letzten Wort, und das hieß Punkt. Schluß. Keine Diskussionen mehr, Brüder. Macht den Mund zu, Genossen, und geht.
    Und Kolka ging. Ungehindert ließ man ihn aus der Botschaft gehen, ohne Belästigung stieg er den Weg hinunter zur Rheinstraße. Der Posten in seinem Wachhäuschen am Wege ließ ihn passieren, als sei er eine unsichtbare Wanze. Und während er so hinunterging zum Rhein, wo noch immer Wolfgang hin und her lief und sich sagte, daß er noch eine Stunde warten würde, ehe er Alarm schlug, kam er sich vor wie ein schmählich Verjagter; wie ein Schuft, den man mit
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