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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie im Leben etwas anderes sein könnte als Stewardeß und in der ganzen Welt zu Hause. Nun hatte sie Dimitri, und ihre Welt war zusammengeschrumpft zu einer kleinen Dreizimmerwohnung, aber sie war so glücklich, als habe sie das Paradies gefunden.
    »Nun ist Ruhe!« sagte Karl Wolter, als die beiden Paare am nächsten Tag das Haus verlassen hatten und auf die Hochzeitsreise gegangen waren. Wolfgang und Irene nach Rom, Dimitri und Bettina in die Dolomiten, wo sie in einem ganz kleinen Bergdorf wohnten, nahe den Zinnen, die aussehen wie ein riesiger Kamm, der den Himmel kämmt und die Wolken frisiert. »Nun ist endlich Ruhe, Agnes …«
    »Wir haben sie verdient, Karl.« Agnes Wolter sah über den Rand der Brille auf ihren Mann. Sie stopfte an einer Küchenschürze, und er saß unter der Stehlampe und las die Zeitung. Das sind wir nun, dachte sie. Zwei alte Menschen, die ihre beste Zeit mit Warten vertan haben. Niemand gibt uns die Jahre wieder … nun stopfe ich, und er liest die Zeitung, und in der Ecke brummelt der Ölofen. Gleich wird er aufstehen, in die Küche gehen und sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank holen. Dann kommen die Nachrichten im Fernsehen und dann ein Bericht über die alpinen Skimeisterschaften, die er sich ansehen wird, obgleich er gar keine Ahnung vom Skilaufen hat. Und so werden die Tage und die Abende hingehen, und man wird weiter immer älter und ist doch glücklich, daß man beisammensitzen kann, an einem Tisch, beim Bier, beim Stopfen, beim Fernsehen. Ein gemeinsames Leben, das so lange Zeit brauchte, bis es gemeinsam wurde.
    »Bist du nun glücklich?« fragte sie leise. Wolter hob den Kopf und lächelte.
    »Sehr, Agnes. Du nicht auch?«
    »Ja, Karl. Soll ich dir Bier holen?«
    »Das wäre schön, Agnes.«
    »Ich stell auch den Apparat an. Ist gleich acht Uhr.«
    Karl Wolter nickte und streckte die Beine aus. Kolka und Karl verschmolzen miteinander … so hatte er auch immer in Tiflis gesessen, nach dem Essen, beim Klang seiner alten Schallplatten, und Dimitri hatte ihm zweihundert Gramm Wodka geholt, und das Pfeifchen mit Machorka dampfte. Ein schöner Abend. Wie rund und glatt kann doch die Welt sein!
    »Wann kommen die Kinder wieder?« fragte Agnes, als sie die Flasche Bier entkorkte.
    »In genau fünf Tagen.«
    »Ich freue mich auf sie, Karl.«
    »Ich auch, Agnes.« Er legte den Arm um ihre Hüfte, und tatsächlich, sie wurde sogar noch rot. »Es ist schön, alt zu sein«, sagte er tief aufatmend. »Ich hätte es nie gedacht.«
    »Die Welt sieht ganz anders aus«, sagte Agnes leise.
    »Wie ein reifer Aprikosenbaum.«
    »Oder wie ein reich gedeckter Tisch.«
    »Das ist es, Agnes. Das ist es! Ein Tisch voller Köstlichkeiten. Man sieht, wofür man gelebt hat.«
    *
    Es war ein sanfter Winterabend. Draußen schneite es.
    Am Fenster des Bauernhauses gegenüber den Zinnen der Dolomiten saß Dimitri und starrte in die weißschimmernde Dunkelheit. Bettina schlief fest in dem breiten, geschnitzten Bett, und er hatte sich leise weggeschlichen und an das Fenster gesetzt. Fast jede Nacht saß er dort, wenn Bettina schlief, und sah auf die Berge, auf den Schnee, in den Himmel, auf die vorbeitreibenden Wolken, auf die Bergwälder und die Lichtschimmer der anderen Häuser.
    Ein paarmal schrak er zusammen. Bettina wälzte sich im Bett und murmelte im Schlaf … da lief er zurück und beugte sich über sie.
    Sie lächelte im Schlaf, und auf ihren Lippen lag es wie Tau auf einem Rosenblatt.
    Bettina Sotowskija träumt von einem Kind, dachte er dann glücklich.
    O Gott, wie glücklich ich bin.
    Und dann ging er doch wieder zurück zum Fenster, setzte sich, und in der hohlen Hand hielt er eine kleine Taschenlampe und beschien mit ihr eine billige grellbunte Postkarte, die ihm der Pope beim Abschied in die Hand gedrückt hatte wie ein Heiligenbildchen.
    Tiflis. Die weiße Stadt zwischen den Berghängen. Rosen leuchteten, und der Wein kletterte die Felsen hinauf, und es war, als röche man die Blüten und Früchte, wie es immer war, wenn der Wind von den Bergen herabwehte.
    Grusinien und seine süßen Trauben. Im Morgennebel tappt der Bär durch die Felsen des Kaukasus. Dann bricht die Sonne über die Gipfel der Berge, und es ist, als schütte Gott flüssiges Gold über dieses Land, von dem die Dichter sagen, daß sich Gott hier in seine eigene Schöpfung verliebt habe. Dann leuchtet die Stadt auf wie ein riesiger geschliffener Diamant, und die Wärme des Himmels taucht ein in das Herz der
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