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Befohlenes Dasein

Befohlenes Dasein

Titel: Befohlenes Dasein
Autoren: J. E. Wells
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Vergangenheit.
    Tausende, Zehntausende von Menschen umgeben Krono Tikkal, dem die Richter ein Gewand angelegt haben, das auf dem Rücken mit einem Lilienwappen versehen ist. Eine johlende Volksmenge, mit dreifarbiger Kokarde angetan, mit eigenartigen, helmartigen Kopfbedeckungen.
    „Nieder mit dem König! Es lebe die Republik!“ schreit eine heisere, sich überschlagende Stimme.
    Gebrüll antwortet. Mützen fliegen in die Luft. Weiter vorn krachen Schüsse, klingt unregelmäßiges Gewehrfeuer auf. Die Menge stockt, kommt ins Laufen. Mütter schreien nach ihren Kindern, Männer nach ihren Frauen oder Kameraden.
    Krono Tikkal stolpert. Ein toter Grenadier liegt unter seinen Fü ßen, Er weiß nicht, wie er in diesen Trubel hineingekommen ist, aber er weiß, daß er irgendwie dazugehört und mitmachen muß.
    Die Menge stoppt. Zweirädrige Karren fahren durch die Menge, von bewaffneten Männern gezogen. Und auf diesen schmutzigen Karren stehen Männer und Frauen in goldstrotzenden Uniformen, in wertvollen Kleidern, schöne, gepflegte Menschen, weinend und gefaßt, bleich und empört.
    „Nieder mit dem König!“ ruft wieder eine Stimme.
    Steine fliegen gegen die Karren mit ihrer traurigen Last.
    Der Pöbel regiert.
    Eine Gewehrsalve bricht in die Menge und reißt eine blutige Bahn. Krono Tikkal verspürt den Luftzug der Geschosse und duckt sich unwillkürlich. Fort, fort – ist sein Gedanke. Nur heraus aus diesem Treibhaus des Wahnsinns und des Fanatismus. Er wendet sich um, die entgegengesetzte Richtung einschlagend. Doch hinter ihm drängen die Tausende.
    Und plötzlich fühlt sich Krono Tikkal von hinten gepackt. Ein baumlanger Kerl mit der farbigen Kokarde weist mit verzerrtem Gesicht auf ihn.
    „Er hat die Lilien auf dem Rücken! Nieder mit ihm!“
    Die Menge wird aufmerksam. Wutschreie klingen auf, Fäuste erheben sich gegen ihn. Zwei Bewaffnete drängen sich durch das Spalier, greifen ihn links und rechts an den Armen.
    „Was ist denn los?“ schreit Tikkal. „Laßt mich in Ruhe! Ich habe euch doch nichts getan!“
    „Haha!“ johlt es um ihn herum. „Er trägt die Lilien! Er hat nichts getan!“
    Krono Tikkal setzt sich zur Wehr. Doch seine beiden Bewacher sind neben ihm, halten ihn eisern fest, bahnen sich einen Weg.
    Und überall, der gleiche Ruf, der hinter ihm herläuft.
    „Er hat die Lilien! Welch eine unerhörte Frechheit! Er verhöhnt das Volk, er verhöhnt die Revolution!“
    Er ist mit seinen beiden Bewachern aus der Menge herausgeraten. Er taumelt vorwärts, einem unbekannten Ziel zu.
    Kommen und Gehen. Hier ist das Hauptquartier der Revolution. Er wird an einem Tisch geführt, an dem ein Mann mit einer Phantasieuniform sitzt. Neben ihm ein Schreiber, der mit ungelenker Hand Notizen macht.
    „Wer bist du, Bürger?“ wird er gefragt.
    „Ich protestiere gegen diese Behandlung! Man hat mich geschlagen und mir Gewalt angetan!“ ruft Tikkal in der Sprache, in der er angesprochen wurde.
    Man wird auf ihn aufmerksam, man zeigt hohnlachend auf die drei Lilien auf seinem Rücken, man stößt ihn näher an den Tisch heran.
    „Du verhöhnst das Volk, Bürger!“ sagt der Uniformierte am Tisch.
    „Ich habe mit deinem Volk nichts zu tun! Ich gehöre nicht dazu!“ fährt Tikkal wütend auf.
    „Das ist es, was wir bekämpfen, Bürger! Du sprichst die gleichen Worte wie jener Ludwig, den wir abgesetzt haben. Auch er hatte mit dem Volk nichts zu tun, auch er geholte nicht dazu. Heute ist der Tag der Abrechnung, Bürger! Eure Herrschaft ist aus! Sage mir deinen Namen, Bürger!“
    „Ich heiße Krono Tikkal“, antwortet der Verhaftete.
    Der Mann, der ein Richteramt auszuführen scheint, wendet sich an den Schreiber.
    „Schreibe auf, Bürger Schreiber: Chronneau Tichalle. Wegen Verhöhnung des Volkes und offenen Widerstandes gegen die Republik zum Tode verurteilt.“
    „Chronneau Tichalle“, wiederholt der Schreiber, indem er bedächtig den Namen auf das Papier kratzt.
    „Unterzeichnet: George Danton“, dröhnt die Stimme des Richters in die Runde. „Abführen! Der Nächste!“
    Krono Tikkal weiß nicht, was um ihn herum geschieht.
    „So wartet doch!“ schreit er erschreckt auf. „Ich habe doch mit euch nichts zu tun. Ich bin doch nur zufällig …“
    „Der Nächste!“ dröhnt die Stimme noch einmal.
    Harte Fäuste packen Tikkal von allen Seiten.
    Er wird in ein hohes Haus geführt. Wachen stehen an den festen Toren, die sich rasselnd öffnen und dröhnend hinter ihm zugeworfen werden. Er
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