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Bedroht

Bedroht

Titel: Bedroht
Autoren: Hans Koppel
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nicht.
    »Was?«
    »Guten Morgen.«
    Der Jungspund Erik stand hinter Sissela.
    »Gut geschlafen?«, fragte er und sah sie nacheinander an.
    »Durchaus«, meinte Trude. »Und selber?«
    Erik schüttelte den Kopf.
    »Nicht viel«, meinte er.
    Anna hob die Tasse an den Mund, brachte es nicht über sich, ihn anzusehen.
    »Nicht?«, fragte Sissela.
    »Fällt mir in Hotels immer schwer«, meinte er. »Die Kissen sind zu dick, und dann sind da immer eine Menge ungewohnte Geräusche.«
    »Sie hätten uns länger Gesellschaft leisten sollen«, meinte Trude. »Und sich die nötige Bettschwere antrinken sollen.«
    »Das nächste Mal«, meinte Erik. »Ich fühle mich trotzdem wach und ausgeruht.«
    Anna wusste, dass er sie anschaute. Sie spürte es am ganzen Körper.
    »Wo sind Ihre Kollegen?«, fragte Sissela.
    »Die kommen gleich.«
    »Spielen Sie heute wieder Golf?«
    »Das ist Sinn und Zweck unseres Ausflugs. Und Sie?«
    »Wir arbeiten.«
    »Jeder nach seinem Geschmack. Und heute Abend wieder in der Bar?«
    »Wir fahren heute Nachmittag nach Hause«, sagte Anna.
    Erik sah sie an und nickte.
    »Es war nett, Sie kennenzulernen. Hoffentlich sehen wir uns mal wieder.«
    Er ging zum Buffet. Sissela folgte ihm mit dem Blick.
    »Das hoffe ich auch, Poolboy, das hoffe ich auch«, sagte sie.

8
    Das Familienjournal war ein uralter Dinosaurier im Universum der digitalen Informationsflut, ein gemütlicher Riese, der sich von der Hektik der Trendsettermagazine nicht aus der Ruhe bringen ließ.
    Vor dem Mittagessen hatten sie die Themen Schuljahresende, Mittsommer, Ferienbeilage und Sondernummer für die Eröffnung der Flusskrebssaison abgehandelt, exakt was sie sich vorgenommen hatten. Damit konnten sie auschecken und ein Taxi in die Redaktion nehmen.
    »Das lief ja wie am Schnürchen«, fasste Sissela zusammen, die auf dem Beifahrersitz saß.
    Trude stimmte zu.
    »Und mit Olof und Sven war es auch richtig unterhaltsam«, meinte Sissela und drehte sich um. »Du hättest nicht so früh zu Bett gehen sollen, Anna.«
    »Ich war müde.«
    »Warum ist Erik eigentlich so früh ins Bett gegangen?«
    »Vermutlich waren wir ihm zu alt«, meinte Trude.
    Anna war nicht ganz sicher, ob sie sich über sie lustig machten. Ob sie im Korridor vor dem Zimmer gestanden und alles mit angehört hatten.
    »Das ist die nüchterne, moralisierende Jugend von heute«, meinte Sissela. »A non-fucking generation.«
    Sie legte dem Fahrer eine Hand auf die Schulter.
    »Sie müssen entschuldigen. Wir waren auf einer Konferenz.«
    »Ich bin das gewohnt. Was meinen Sie, was ich hier alles zu hören kriege«, erwiderte er.
    Anna betrachtete die Landschaft. Alles war ruhig, die Natur wartete ab, dass das Licht wieder zurückkehrte. Ganz anders als Annas Inneres. Das zweite Mal auf dem Berg war fast noch besser gewesen. Kopflos, irrsinnig, manisch. Anna empfand ein fast schmerzhaft physisches Verlangen nach seinem Körper. Sie wollte jeden einzelnen Augenblick in Erinnerung behalten, ohne Reue und schlechtes Gewissen.

9
    »Und? Waren sie nett?«, fragte Lukas, als sie fertig gegessen hatten und Hedda vom Küchentisch aufgestanden war, um sich etwas im Fernsehen anzusehen.
    »Wer?«
    »Die Golfspieler.«
    Anna spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg.
    »Ach die, ja, die waren nett. Sie arbeiten in einer Werbeagentur. Es ist ziemlich spät geworden in der Bar. Tut mir wirklich leid, dass ich dich geweckt habe.«
    »Kein Problem. In welcher Agentur arbeiten sie?«
    »Hab ich vergessen. Sie hießen Sven und Olof. Alte Knacker, fast sechzig.«
    »In der Branche sind sie ja die reinsten Dinosaurier.«
    »Obwohl die beiden einen jungen Mitarbeiter haben, aber der ist früh schlafen gegangen.«
    »Die Jugend von heute ist auch nicht mehr das, was sie mal war«, meinte Lukas und stand vom Tisch auf.
    Er begann abzuräumen, entsorgte die Reste auf den Tellern im Müll, spülte sie ab und stellte sie in die Spülmaschine.
    »Also keine Skandale?«, fragte er fröhlich.
    Anna holte sich die Zeitung, die auf dem Tisch lag, und tat so, als würde sie darin lesen.
    »Nicht dass ich wüsste.«
    »Ist Trude etwa erwachsen geworden?«
    »Ich weiß nicht, aber sie hat sich zusammengerissen. Die waren wirklich nett, diese Reklametypen. Haben viel von ihren Familien erzählt.«
    »Das sind die Schlimmsten.«
    »Wie meinst du das?«
    »Damit signalisieren sie: Habe nichts gegen einen Fick einzuwenden, vorausgesetzt, du verliebst dich nicht über beide Ohren in mich und fängst an,
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