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Bedroht

Bedroht

Titel: Bedroht
Autoren: Hans Koppel
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ausgestreckten Hand. Er lächelte.
    »Hast du ein Foto gemacht?«, fragte Anna.
    Sie trat auf ihn zu und griff nach dem Handy in seiner Hand. Er zog sie an sich, offenbar freute er sich auf den bevorstehenden Kampf.
    »Hör schon auf. Gib her.«
    »Ein kleines Andenken wirst du mir doch gönnen?«, sagte er und wich ihren Händen aus.
    »Keine Chance. Gibst du mir jetzt das Handy?«
    »Nein. Das ist meins.«
    »Hör mit dem Unsinn auf, gib es her.«
    Erik lachte, als sie ihn niederrang. Schließlich gab er nach und überließ ihr das Handy. Sie suchte nach dem Album und betrachtete das Bild.
    »Oje, sehe ich so aus?«
    »Wieso, oje? Du bist eine heiße MILF.«
    »Heiß? Wohl eher fett. Jetzt ist es weg.«
    »Jetzt ist meine Wichsvorlage weg.«
    »Wichsvorlage? Wie alt bist du eigentlich?«
    »Vierzehn.«
    »So alt?«
    Er streckte die Hand aus und strich ihr über den Arm. Er ließ die Oberseite seiner Finger über ihre weiche Haut gleiten, über die Rundung ihrer Brust. Sie schloss die Augen.
    »Ich muss gehen«, sagte sie.
    Er nickte verständnisvoll.
    »Alles okay?«
    »Ja. Absolut. Es war …«
    Anna suchte nach den passenden Worten und spürte, dass ihre Augen vor Rührung und schlechtem Gewissen feucht wurden. Erik setzte sich auf, schob das Haar beiseite, das ihr in die Stirn gerutscht war, und zog sie an sich. Sie hielt die Arme vor sich, ein halbherziger Versuch, sich vor weiterer Nähe zu schützen.
    »Warte«, sagte er und verschwand im Bad.
    Er kehrte mit einem Stück Toilettenpapier und einem Glas Wasser zurück. Anna schnäuzte sich und trank.
    »Tut mir leid«, sagte sie und lachte verlegen.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen.«
    »Ich habe noch nie …«
    Sie war drauf und dran, wieder in Tränen auszubrechen, konnte sich aber gerade noch beherrschen.
    »Nein«, sagte sie und tätschelte ihm das Knie, »jetzt muss ich wirklich gehen.«
    Erik nickte.
    »Ich muss«, wiederholte sie.
    »Wie spät ist es?«
    Beide drehten sich um und schauten auf die blauen Ziffern des Radioweckers. Fast fünf Uhr. Erik sah sie an.
    »Ich habe eine Idee«, sagte er.

6
    »Ist das dein Wagen?«
    »Nein, ich habe eine Klapperkiste. Das hier ist Olofs.«
    »Warum hast du die Schlüssel dafür?«
    »Sie haben ein paar Bier im Golfclub getrunken, und ich bin zurückgefahren.«
    »Trinkst du nichts?«
    »Selten. Ich trainiere recht viel.«
    »Das sieht man.«
    »Danke, falls das ein Kompliment sein sollte.«
    Anna nickte nachdenklich.
    »Kleines Auto, großer …«, sagte sie und staunte über sich selbst.
    »Was habt ihr für einen?«, fragte Erik.
    »Einen Volvo.«
    Erik schaltete das Fernlicht ein und fuhr den schmalen, steilen Weg zum Berg hinauf. Am Aussichtsplatz hielt er, und sie schauten auf den Ort hinunter. Die feuchte Luft verwischte das Licht der Straßenlaternen und ließ alles wie ein düsteres Aquarell erscheinen.
    »Ich liebe den Kullaberg«, sagte er, als er weiter durch den kahlen Buchenwald fuhr. »Ich bin so oft wie möglich hier.«
    Sie kamen am Golfplatz vorbei und fuhren auf den Leuchtturm zu, dessen Lichtstrahl majestätisch durch den milchigen Nebel strich. Erik machte den Motor aus und öffnete die Tür.
    »Komm«, sagte er und stieg aus.
    Er nahm ihre Hand und führte sie in Richtung der Felsen.
    »Pass auf, hier ist es steil.«
    Sie blieben an einem Felsabsatz stehen. Über ihnen strich der Lichtstrahl des Leuchtturms rhythmisch vorbei, unter ihnen lag wie ein Teppich das Meer. Tief unter sich hörte sie die Wogen in regelmäßigen Abständen gegen den Fels schlagen, aber die weißen Schaumkronen auf dem schwarzen Wasser konnte sie nur erahnen.
    »Ein falscher Schritt, und alles ist vorbei«, meinte Erik. »Wir stehen auf einem Felsvorsprung. Wenn man an diesem Hang klettert, fühlt man sich wie der reinste Spiderman.«
    »Kletterst du?«
    »Ja, so oft wie möglich.«
    »Dann wollen wir mal hoffen, dass der Granit hält«, meinte Anna. »Hier stürzen jedes Jahr ein bis zwei Dänen zu Tode.«
    »Ach, wirklich?«
    »Ja, jedes Jahr«, sagte Anna. »Dafür stürzen im Tivoli Bakken jährlich zwei alkoholisierte Schweden aus der Achterbahn, als ausgleichende Gerechtigkeit.«
    Erik lachte.
    »Ich mag deinen Humor. Und jetzt werde ich schreien.«
    »Okay.«
    »Ich wollte dich nur warnen, damit du nicht vor Schreck stolperst und abstürzt.«
    »Ich werde versuchen, mich auf den Beinen zu halten.«
    »Bereit?«
    »Ja.«
    »Ich meine es ernst. Ich schreie laut.«
    Er schrie. Ein Urschrei in der
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