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Bedroht

Bedroht

Titel: Bedroht
Autoren: Hans Koppel
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mich zu verfolgen.«
    »Woher weißt du das?«
    Anna sah ihren Mann vorwurfsvoll an. Dieser zuckte amüsiert mit den Achseln.
    »Meine Güte, das ist allgemeines Tagungsfickwissen.«
    »Was für eine Ausdrucksweise!«
    Lukas lächelte und freute sich über ihre Entrüstung.
    »Noch mehr Wein?«
    »Danke.«

10
    Nein. Nein, nein, nein.
    Was hatte sie bloß getan? Wie konnte sie so dumm sein und alles auf Spiel setzen?
    Anna lag im Bett und starrte an die Decke. Das Licht der Straßenlaterne drang durch den Spalt unter dem Rollo und warf Schatten, die in aufsteigender Hitze über dem Heizkörper tanzten.
    Ihr Herz raste, ihre Gedanken überschlugen sich. Der leichte Alkoholrausch verstärkte ihre Angst. Ihre Haut war kalt und schweißnass. Sie hatte mit einem anderen geschlafen, hatte ihren Mann betrogen, den einzigen Mann, den sie je vorbehaltlos geliebt hatte, den Vater ihrer Tochter. Wofür? War es der Sex? Sex war nicht das Wichtigste im Leben. Aber was war es dann? Selbstbestätigung? Wohl kaum, sie war schließlich nicht wie Trude. Warum um alles in der Welt war sie mit einem anderen ins Bett gegangen? Noch dazu mit so einem Welpen. Um sich zu beweisen, dass sie sich die Genüsse des Lebens nicht versagte? Dass sie emanzipiert und selbstständig war? Um sich zu beweisen, dass sie mehr als Heddas Mama war, mehr als eine berufstätige Frau aus dem Vorort mit gepflegtem Garten, Designermöbeln und einem geselligen Familienleben?
    Anna konnte nicht begreifen, was in sie gefahren war. Das war überhaupt nicht ihre Art. Sie tat nie etwas Unbedachtes, war ausgeglichen, zuverlässig und gewöhnlich. Genau das, gewöhnlich. Keine Heilige, sondern gewöhnlich. Jetzt, wo sie diese Dummheit begangen hatte, verspürte sie das dringende Bedürfnis zu beichten, die Schuld auf sich zu nehmen, ihre Sünde zu offenbaren und noch einmal von vorne anzufangen. Nie mehr. Das war das erste, letzte und einzige Mal gewesen.
    Aber eine Beichte war undenkbar. Nur feige Egoisten schütteten ihr Herz aus, um sich aus der Verantwortung für ihr Handeln zu stehlen. Sie erinnerte sich noch sehr gut an den Tag, an dem ihr Vater nach Hause gekommen war und ihrer Mutter mitgeteilt hatte, er habe eine andere Frau kennengelernt. Ihre Mutter hatte ihn noch am selben Tag rausgeworfen. Wenige Monate später war ihr Vater von der neuen Liebe verlassen worden. Er hatte nie mehr eine andere Frau kennengelernt und war wenige Jahre nachdem er in Rente gegangen war gestorben. Wahrscheinlich an Einsamkeit und gebrochenem Herzen.
    Sie stand auf und ging ins Badezimmer, pinkelte und trank Wasser aus dem Wasserhahn.
    Wie war sie nur auf die Schnapsidee gekommen, dass sie die Momente mit Erik in Erinnerung behalten wollte, als etwas, das nur ihnen beiden gehörte? Ihr und dem Welpen. Obwohl, so jung war er nun auch wieder nicht.
    Anna holte tief Luft und stieß sie zwischen gespitzten Lippen wieder aus. Sie ging zurück ins Schlafzimmer und schlüpfte leise ins Bett, um ihren Mann nicht zu wecken, falls er schlief und nicht wach geworden war, als sie ins Bad gegangen ist.
    Anna hatte ein Angebot erhalten und zugegriffen. Die Verwirrung des Augenblicks, ein Film, den sie in ihrem Inneren abspielen konnte, wenn irgendwann der Überdruss einsetzte. Es war nun einmal geschehen, das Band ließ sich nicht mehr zurückspulen und löschen.
    Sie war wohl kaum die Erste in der Weltgeschichte, die einen Seitensprung begangen hatte. Das Wichtigste war jetzt, sich nicht von der trügerischen Erleichterung eines Geständnisses verlocken zu lassen. Diese Bürde musste sie allein tragen. Punktum.
    Sie drehte sich auf die Seite, zog die Decke ans Kinn und winkelte die Beine an. Das gab ihr ein Gefühl von Geborgenheit. Ihr Mann seufzte im Schlaf. Das war ihr Geheimnis, nur ihres. Wenn sie irgendwann unbedingt jemandem ihr Herz ausschütten wollte, dann höchstens ihrer Mutter.
    Anna war fast eingeschlafen, als ein Geräusch von draußen sie aufmerken ließ, ein leises Klicken ans Fenster. Als klopfte jemand mit dem Fingernagel ganz leicht gegen die Scheibe. Sie stieß Lukas an.
    »Was?«, fragte er schlaftrunken.
    Anna machte die Nachttischlampe an, und Lukas blinzelte müde.
    »Was ist los?«
    »Es klingt, als wäre da jemand vor dem Fenster.«
    Aus nicht nachvollziehbaren Gründen flüsterte Anna.
    »Das ist sicher der Wind.«
    »Pst.«
    Sie lauschten. Nichts.
    »Ich bin mir ganz sicher«, sagte Anna.
    »Vielleicht ein Vogel«, meinte Lukas.
    »Mitten in der
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