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Bedroht

Bedroht

Titel: Bedroht
Autoren: Hans Koppel
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Morgendämmerung. Alles andere als schön. Anna prustete los.
    »Was?«, fragte er, als er fertig war.
    »Nichts.«
    Anna wischte sich die Tränen aus den Augen.
    »Du hast dich angehört wie ein hysterisch kreischender Beatles-Fan.«
    »Jetzt bist du dran.«
    »Nein, nein, nein, ich bin viel zu gehemmt.«
    »Komm schon. Das ist toll.«
    »Nicht mein Ding. Wirklich nicht mein Ding.«
    »Wie willst du das wissen, wenn du es nie versucht hast?«
    »Okay. Was soll ich schreien?«
    »Schrei einfach. Lass uns die Plätze tauschen. Du musst weiter am Rand stehen und darfst nur das Meer vor dir haben.«
    »Ich traue mich nicht.«
    »Das ist nicht gefährlich. Ich werde dich schon nicht schubsen.«
    Sie tauschten die Plätze.
    »Und jetzt schrei.«
    »Aaah …«
    »Das kannst du aber besser. Schrei ihn raus, den ganzen Frust und alle Enttäuschungen, alles, was in letzter Zeit schief- und dir gegen den Strich gegangen ist. Schrei dir die Genügsamkeit aus dem Leib.«
    Anna schrie.
    »Ein guter Anfang. Jetzt aber richtig.«
    Sie schrie, ganz tief aus dem Bauch. Sie drückte alles die Kehle hinauf, über das Meer. Als nichts mehr da war, als sie sich vollkommen leer fühlte, füllte sie die Lungen mit frischer, salziger, sauerstoffreicher Luft. Sie atmete heftig und merkte, dass sie weinte. Vor Erleichterung, Glück und weil sie sich wie neugeboren fühlte. Weil es ein gutes Gefühl war und weil es ihrer sonstigen Selbstbeherrschung vollkommen zuwiderlief.
    Er nahm ihre Hand. Sie gingen zum Auto zurück und küssten sich offen und wortlos. Dann ritt sie ihn auf dem Beifahrersitz.

7
    »Da haben wir aber Glück gehabt, dass sich dieser Prachtkerl so früh in die Koje gehauen hat«, sagte Sissela und klopfte mit dem Löffel auf ihr Frühstücksei.
    Anna tat so, als würde sie sie nicht verstehen.
    »Wer?«
    »Na, der Typ von gestern, the Body.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Sonst würde Trude jetzt mit einem moralischen Kater hier rumsitzen.«
    »Glaubst du?«
    Sissela schnaubte.
    »Ist dir das nicht aufgefallen? Das war ja fast schon unanständig.«
    »Ach ja? Hab ich gar nicht gemerkt.«
    Sissela pulte die Eierschale mit den Fingern ab.
    »Sie sollte sich etwas mehr zusammennehmen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Hallo! Wie alt war der Typ denn? Fünfundzwanzig?«
    »Ich tippe auf dreißig.«
    »Ja, und Trude ist zweiundfünfzig. Wie hieß er noch gleich?«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    Anna trank einen Schluck Orangensaft, um den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken.
    »Erik«, sagte Sissela und schwenkte ihren Zeigefinger. »Trude könnte seine Mutter sein. »Pst. Da kommt sie.«
    Sie sahen ihrer Kollegin entgegen, die mit schweren Schritten auf sie zukam. Sissela konnte ihre Schadenfreude kaum verbergen.
    »Guten Morgen, Sonnenschein«, sagte sie. »Gut geschlafen?«
    Trude funkelte sie finster an.
    »Wo ist der Kaffee?«
    Sie sah sich um, entdeckte die Kaffeemaschine und holte sich eine Tasse.
    »Ja, ja«, meinte Sissela, als Trude sich gesetzt hatte. »Jetzt bist du natürlich besonders froh, dass du noch bis zum Zapfenstreich geblieben bist und auch noch das letzte Glas gekippt hast.«
    »So schlimm ist es auch wieder nicht«, erwiderte Trude und reckte sich. »Ich habe eigentlich richtig gut geschlafen.«
    »Ich habe gerade zu Anna gesagt, dass wir von Glück sagen können, dass der Hengst so früh ins Bett gegangen ist.«
    »Wieso das?«
    »Du weißt schon.«
    »Nein«, erwiderte Trude. »Erzähl.«
    Sissela lachte nervös.
    »Ich mach doch nur Witze.«
    Trude ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen, und das mochte Anna an ihr.
    »Und?«, sagte Anna, um die Stimmung aufzulockern. »Wann seid ihr zu Bett gegangen?«
    »Ich war kurz vor zwei im Bett«, sagte Trude.
    »Genau wie ich«, sagte Sissela, der es wichtig war, dazuzugehören. »Aber warum bitte bist du so früh schlafen gegangen?«
    Anna rutschte nervös auf ihrem Stuhl hin und her.
    »Diese Werbefuzzis waren ja ganz nett«, meinte sie.
    Trude nickte.
    »Absolut.«
    »Aber mit dem Viagra-Mann mit dem roten Gesicht hätte ich nicht intimer werden wollen. Der Hengst hingegen …«, meinte Sissela.
    Sie wandte sich an Anna und wechselte das Thema: »Wir haben mit ihnen über Geschäfte gesprochen. Dass sie vielleicht eine Werbekampagne für uns machen könnten. Wenn sie ein paar Abos verkaufen, könnte ich dem Jungspund vielleicht eine einzelne Nummer aufschwatzen oder auch zwei …«
    Trude schnitt eine Grimasse, Sissela verstand
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