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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers
Autoren: Leonard Cohen
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bestand aus zwei tätowierten Polen, die sich aufgrund einer uralten Fehde hassten und bemüht waren, sich gegenseitig aus dem Weg zu gehen. Sie trugen Uniformen, die zu einer Armee von Friseuren gepasst hätten, sprachen nur Polnisch und das Esperanto der Hot Dog-Varianten. Es hatte keinen Sinn, sie zum Beispiel auf eine von einem Automaten verschluckte Münze anzusprechen. Es war die apathische Kraft der Anarchie, die an jedes Münztelefon, an jeden Schießstand, dessen Mechanik eingeklemmt war, ein AUSSER BETRIEB hängte. Die Bowling-Automatik hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, die Punkte im Wechsel jeweils nur zwei Spielern zuzuordnen, egal wie viele tatsächlich teilnahmen. Und doch konnte der wahre Sportsmann mit einer Grundhaltung, die den Verfall dem Risiko des Spiels zuzuschlagen suchte, unter den Geräten der Main Shooting and Game Alley durchaus einiges Kleingeld losschlagen. Wenn also eine Scheibe nicht herunterklappte oder aufleuchtete, die er genau getroffen hatte, verstand der echte Spieler es als Erweiterung der Komplexität des Spiels. Die Hot Dogs allerdings waren nicht defekt, und zwar aus einem Grund: Sie hatten keine beweglichen Teile.
    – Hallo, was glauben Sie, wo Sie hingehen?
    – Ach, lass ihn rein. Es ist doch die erste Frühlingsnacht.
    – Hör mal, wir haben noch ein gewisses Niveau.
    – Kommen Sie schon, Herr, wir geben Ihnen einen Hot Dog aus.
    – Nein danke, ich esse nicht.
    Während sich die Polen noch stritten, schlüpfte der alte Mann in die Main Shooting and Game Alley. Die Zuhälter ließen ihn ohne eine einzige obszöne Bemerkung vorbeiziehen.
    – Geh nicht zu nah an den Typen, der stinkt.
    – Bloß raus mit dem!
    Der Haar- und Lumpenhaufen stand nun vor Williams Großer Polarjagd. Über der kleinen arktischen Bühne war ein unbeleuchtetes Glasbild angebracht, auf dem realistische Eisbären, Seehunde, Eisberge zu sehen waren, sowie zwei bärtige, dick eingepackte amerikanische Entdecker. In einer Schneewehe steckte ihre Landesflagge. An zwei Stellen im Bild waren Fenster, kleine Ausblicke, die PUNKTE und ZEIT anzeigten. Die an einer Stange befestigte Pistole war auf mehrere Reihen beweglicher Blechfiguren gerichtet. Aufmerksam las der alte Mann die Anweisungen, die mit Tesafilm, und unter Zurücklassung von Fingerabdrücken, am Rand der Scheibe angebracht waren.
    Pinguine zählen 1 Punkt – beim zweiten Mal 10 Punkte
    Seehunde zählen 2 Punkte
    Zielscheibe auf Iglu zählt 100 Punkte, wenn Eingang beleuchtet
    Nordpol 100 Punkte, wenn sichtbar
    Walross kommt, wenn Nordpol 5 Treffer hat, 1000 Punkte
    Langsam führte er die Regeln seinem Gedächtnis zu und fügte sie in sein eigenes Spiel ein.
    – Der ist kaputt.
    Der alte Mann legte seine Hand um den geriffelten Pistolengriff und legte den Finger auf den silbernen, abgenutzten Abzug.
    – Schaut euch mal seine Hand an!
    – Total verbrannt!
    – Er hat keinen Daumen!
    – Ist das nicht der Terroristenführer, der heute Nacht geflohen ist?
    – Sieht eher aus wie der Perverse, den sie im Fernsehen gezeigt haben, er wird im ganzen Land gesucht.
    – Schmeißt ihn raus!
    – Er bleibt hier! Er ist ein Patriot!
    – Er ist ein stinkender Schwanzlutscher!
    – Der Mann wäre fast der Präsident dieses Landes geworden!
    Die Belegschaft der Main Shooting and Game Alley schien gerade in zwei Lager zu zerfallen, um sich einen handfesten politischen Streit zu liefern, als mit dem alten Mann etwas Wundersames geschah. Zwanzig Männer kamen angelaufen, die eine Hälfte, um den abstoßenden Eindringling rauszuschmeißen, die andere Hälfte, um die Vertreibungspartei festzuhalten und den verehrten Lumpenhaufen auf ihre Schultern zu heben. Der Verkehr auf der Main Street kam schlagartig zum Stillstand, eine Menge drängte an die beschlagenen Fensterscheiben und drohte, sie einzudrücken. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürten diese zwanzig Menschen – auf beiden Seiten –, dass sie im Zentrum der Handlung standen. Jeder der Heranstürmenden stieß einen Schrei aus. Ein Wust aus Sirenen hatte bereits die streunende Menge draußen aufgeheizt wie ein Orchester beim Stierkampf. Es war die erste Frühlingsnacht, sie gehörte dem Volk! Einige Straßen weiter nahm ein Polizist seine Marke ab, steckte sie in die Tasche und löste seinen Hemdkragen. Die verhärmten Frauen in den Kassenhäuschen verstanden, was los war, und flüsterten mit Platzanweisern, die ihre Bullaugen mit pflugförmigen Holzplatten verriegelten. Die Menschen strömten
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