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Beautiful Losers

Beautiful Losers

Titel: Beautiful Losers
Autoren: Leonard Cohen
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Es kam nur vor, wenn alle genau das gleiche Bild vor Augen hatten, das Geräusch, fiel ihm nun ein, hieß Lachen.
    – Mein Herr, das ist der letzte Hauptfilm heute.
    Jetzt verstand er, was er verstehen musste. Der Film war unsichtbar für ihn. Seine Augen blinkten mit der Geschwindigkeit der Filmbilder, er sah immer nur die schwarze Klappe im Projektor, die soundso viele Male pro Sekunde fiel. Die Leinwand war schwarz. Es war nichts zu machen. Unter den Zuschauern befanden sich einige wenige, die feststellten, dass ihr Vergnügen, anders als sonst, wiederholbar war – nämlich dann, wenn Richard Widmark in Kiss of Death in sein manisches Gelächter verfällt. Vor allem aber bemerkten sie, dass sie offenbar in der Gegenwart eines großartigen Yogi weilten, der wie kein anderer die Kino-Position beherrschte. Zweifellos widmeten sich diese Studenten ihrem Fach später mit erfrischtem Enthusiasmus, strebten sie doch danach, die intensivste Form der Filmbetrachtung zu erreichen, wobei wohl niemand damit rechnete, dass die Übung statt zu ungebrochener Spannung nur zu einer schwarzen Leinwand führen würde. Zum ersten Mal in seinem Leben war der alte Mann vollkommen entspannt.
    – Nein, mein Herr. Sie können sich nicht schon wieder woanders hin setzen. Huch, wo ist er denn hin? Das ist aber komisch. Hmmmm.
    Der alte Mann lächelte, als der Strahl der Taschenlampe durch ihn hindurchging.
    Die Hot Dogs sahen nackt aus in ihrer Dampfsauna in der Main Shooting and Game Alley, einer Spielhölle auf dem St. Lawrence Boulevard. Die Main Shooting and Game Alley war nicht gerade neu, und da bei steigenden Immobilienpreisen nur Bürogebäude rentabel waren, sollte sie auch später nie renoviert werden. Der Fotoautomat war kaputt, er nahm zwar die Münzen an, gab aber weder Blitzlicht noch Bilder ab. Der Greifer gehorchte keinem Ingenieur, Schokoriegel und japanische Ronson-Zigaretten lagen unter einer schmierigen Staubschicht. Einige gelbe Kugelspiele aus uralten Zeiten standen herum, da sie nicht einmal mit Hebeln ausgestattet waren, die dem Spieler erlaubten, die Kugel zu retten, verdienten sie den Namen Flipper nicht. Bekanntlich sind es diese Hebel, die das ursprüngliche Glücksspiel zerstört haben, sie haben die Idee der zweiten Chance legalisiert. Sie haben die Jetzt-Oder-Nie-Anspannung des Spielers geschwächt und das böse Gefühl in der Magengrube, wenn die Stahlkugel im freien Fall stürzt. Flipper-Hebel stellen den ersten totalitären Vorstoß gegen das Verbrechen dar. Indem sie sich in die Mechanik des alten Spiels einfügten, untergruben sie den alten Nervenkitzel, die Herausforderung. Seit es diese Hebel gibt, ist es keiner Generation mehr gelungen, den illegalen Körpereinsatz zu meistern, und TILT , einst eine Ehrenauszeichnung wie ein Säbelschmiss, bedeutet heute nicht mehr als ein ganz normales Foul. Die zweite Chance ist die im eigentlichen Sinn kriminelle Idee, sie ist der Hebel des Heldentums, der einzige Rückzugsort der Verzweifelten. Doch wenn sie nicht dem Schicksal abgerungen ist, verliert die zweite Chance ihre Lebenskraft, sie entlässt keine Kriminellen, keine promethischen Helden, sondern Taschendiebe und ärgerliche Amateure. Ehre gebührte der Main Shooting and Game Alley, wo sich ein Mann noch der Herausforderung stellen konnte. Leider gab es kein Publikum mehr. Ein paar käufliche Jungs, die auf Kundschaft warteten, standen am warmen Erdnussautomaten herum, es waren Teenager, die auf der untersten Stufe von Montréals Sehnsuchtsindustrie angelangt waren und deren Zuhälter Kunstfellkragen trugen und goldene Zähne und Oberlippenbärte, und sie alle starrten ausgesprochen leidenschaftslos auf die Main Street (so wird der St. Lawrence Boulevard genannt), als wollten die Passanten nicht verraten, wo sich der große Mississippi-Dampfer, das Mutterschiff aller Vergnügungssüchtigen, befand, das diese Jungen rechtmäßig in den Abgrund ziehen könnten. Die Beleuchtung war Neonröhre, erste Generation, sie machte etwas mit peroxydblondiertem Haar, das nicht schön war. Wie ein Röntgengerät fand es den dunklen Ansatz unter gelbstichigen Haartürmen, es machte jeden jugendlichen Pickel ausfindig wie ein Straßenatlas. Der Hot Dog-Tresen, auf dem fast ausschließlich Aluminiumgerät – Hauben und Schüsseln – arrangiert war, bot die graue Hygiene einer Klinik in einem Armenviertel dar, die auf einer ständigen Umverteilung des schmierigen Films beruhte, nicht auf seiner Entfernung. Die Bedienung
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