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Bartstoppelkuesse

Bartstoppelkuesse

Titel: Bartstoppelkuesse
Autoren: Rena Larf
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waren jung und hatten doch keine Ahnung vom Leben. Wir standen kurz vorm Ende des Studiums. Wie hätten wir meine Krankheit, ja mein Todgeweihtsein, unsere Existenzsicherung, in Einklang bringen sollen mit unserer Liebe?“
    „Es hätte einen Weg gegeben, wir hätten gemeinsam einen finden können.“
    „Ja, Scarlett... und uns nach einem Jahr getrennt, weil die Chemotherapie mich unleidlich und ungerecht dir gegenüber hätte werden lassen. Ich hätte dich mit meiner Verzweiflung mitgerissen, hätte nicht arbeiten gehen können, das Geld hätte nie gelangt und wir hätten uns nur noch angeschrien!“
    Wahrscheinlich hatte er sogar r echt. Auf der anderen Seite fühlte ich mich betrogen, um die verlorene Zeit ohne ihn, um die Möglichkeit, diese Erfahrung selbst gemacht zu haben und allen zu beweisen, dass es auch anders hätte gehen können. Aber vor allem - um es mir selbst zu beweisen!
    Ich war ganz still. Als hätte ich die Worte an einer Schranke abgegeben. Es gab Millionen Fragen und keine Zeit für Antworten.
    „Ich bin bis morgen noch in Hamburg, dann muss ich zurück nach München. Meine Arbeit fängt wieder an.“
    Stefan sah mich aus engen Augenschlitzen an.
    „Willst du mir unverantwortliches Handeln vorwerfen, Scarlett? Das freie menschliche Entscheiden ist Bestandteil des Lebensweges. Und ich habe mich dafür entschieden, dich nicht mit mir und meinem Leiden zu belasten!“
    „Es tut mir leid“, sagte ich betont beiläufig, damit ich nicht den Eindruck von Mitleid in ihm erweckte. „Ich wäre gerne an deiner Seite gewesen, damit du mit diesem Leid nicht alleine da gestanden hättest.“
    Stefan senkte den Kopf. Seine Brust hob und senkte sich in stürmischen Atemzügen. Er wirkte bedrückt und nachdenklich, und ich konnte seine innere Traurigkeit fühlen. Ich legte tröstend meine Hand auf die seine und versuchte die Sterilität zwischen uns zu bannen. Stefan erwachte aus seiner Erstarrung und hob leicht den Kopf.
    Der Anflug eines charismatischen Lächelns huschte über sein Gesicht. Er war genauso alt wie ich. Ein gelebtes Leben, Freud und Leid vieler Schicksalsjahre hatten in seinem Gesicht eine Landkarte mit tiefen Falten gezeichnet. Und doch war dieses Gesicht unglaublich schön.
    Ich bemerkte, dass er sachte mit seinem Daumen über meinen Handrücken streichelte. Dann beugte er sich über den Tisch und hauchte mir einen kleinen, flüchtigen Kuss auf meinen Mund. Ich spürte, wie sich die Stoppeln seines Bartes an meinen Lippen rieben und der Geruch seines Aftershaves in meine Nase drang.
    Ich hätte jubeln können vor Freude und ich wün schte mir, er würde es noch einmal tun.
    Diese Geste hatte so viel Zärtlichkeit. Mir wurde klar, dass wir beide eine Menge aus der Vergangenheit aufarbeiten mussten und uns ihrer Existenz nicht durch Schweigen entledigen konnten, wenn wir eine Chance für eine gemeinsame Zukunft haben wollten.
    Wir sahen uns unendlich lange und intensiv über die flackernde Kerzenflamme hinweg in die Augen. Ein wehmütiger Zauber lag in Stefans Augen. Diese Augen, so dunkel, wie warmer schwarzer Samt, von einer Eindringlichkeit, die mich noch immer zum Staunen brachte. Ich spürte ein Verlangen in mir aufsteigen, sie zu küssen, seine Wimpern mit meinen Lippen zu berühren.
    Die Antwort lag in seinem Blick.

Stefan
     
    Nun hatte ich extra meinen Wagen zu Hause gelassen, um nicht in Versuchung geführt zu werden, ihn ins Hotel bringen zu müssen, und doch tat ich es ganz freiwillig und ohne Druck. Wir saßen eng beieinander auf der Rückbank des Taxis. Etwas ungläubig sahen wir uns zwischendurch verstohlen von der Seite an und konnten das, was da mit uns passierte, kaum glauben.
    Stefan bewohnte an der Esplanade im Baseler Hof eine Suite. Ich sah zu ihm herüber und konnte sehen, wie sich sein Brustkorb bewegte. Er lebte, er hatte über lebt - er war bei mir!
    Ich hatte keine Ahnung, wer von uns beiden mehr Angst hatte. Als wir ausstiegen, fasste mich Stefan bei der Hand und zwinkerte mir aufmunternd zu. Im Fahrstuhl spürte ich dann seine Hand unter meinem Kinn und seine Lippen auf meinen. Ich öffnete meinen Mund weiter, um mich seiner spielerischen Verführung hinzugeben. Stefan küsste fordernd und süß. Seine Zunge umspielte die meine.
    Wie nass sie war, die Zunge, wie sie meine Zähne umkreiste, meinen Mund tief ausfüllte. Fest. Und geschmeidig. Selbstbewusst. Und warm. Sie schmeckte nach Schmeichelei, nach Frucht der Lust. Nicht bitter, nicht scharf. Vielleicht
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