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Bartstoppelkuesse

Bartstoppelkuesse

Titel: Bartstoppelkuesse
Autoren: Rena Larf
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leise.
    „Ich weiß“, grinste ich zurück. Gut sah er aus.
    Er trug eine klassische Sportkombination bestehend aus einem einreihigen Sakko mit unifarbener Hose. Im Bruchteil einer Sekunde nahm ich bereits den Blick zweier Frauen wahr, die ihre Augen nicht von ihm lassen konnten, obwohl sie in Begleitung waren.
    „Wie geht es deinen Blessuren?“
    „Schau mich an, die Lippe ist wieder zu. Küssen geht schon!“
    Wozu machte ich diesen Spruch? Ich musste doch damit rechnen, dass seine Konter bissig und sarkastisch zurückkamen. Aber Stefan schmunzelte und schlug vor, dass wir bestellen sollten. Nachdem der Ober alles aufgenommen hatte, saßen wir uns stumm gegenüber und schauten uns an. Stefan wippte mit seinem Fuß auf dem Boden und sah auf das Glas in seiner Hand. Er hatte sich schon einen Rotwein bestellt bevor ich kam und ich fragte mich, wie lange er wohl schon da war.
    „Weißt du eigentlich, dass es ein Wunder ist, dass wir ohne Reservierung einen Tisch bekommen haben“, versuchte ich zu talken.
    „Dann sollte es wohl so sein“, antwortete er sanft. „Vielleicht hatte die Vorsehung ihre Hand im Spiel.“
    Als mein Rotwein kam und das Essen serviert wurde, lockerte sich die Stimmung zusehends und Stefan wurde zugänglicher. Ich geno ss meine Tortiglioni mit Spinatsauce, ohne darüber nachzudenken, dass ich grün hasste und der Rest des Gemüses zwischen den Zähnen hängen bleiben würde. Wir redeten zwanglos über unsere Arbeit, über das Wetter, - über Nichtigkeiten. Dann kam das Thema auf seine Vergangenheit, seine Krankheit, den Tod seiner Tochter.
    Stefan raffte einen Brief aus der Tasche und zog seine Augenbrauen hoch, wobei er mich ganz intensiv ansah. Dann schob er mir den Umschlag mit langen Fingern über den Tisch zu. Ich schaute ihn an und traute mich nicht, ihn in die Hand zu nehmen. Stefan durchbrach die Stille mit einem aufmunternden Kopfnicken.
    „Öffne ihn, Scarlett, ich schrieb ihn für dich.“
    Stefan schien nachdenklich, fast ein wenig nervös, was ich gar nicht von ihm kannte. Er wirkte immer so ausgeglichen und hochkonzentriert.
    Die Welt verschwamm um mich herum. Ich hatte auf einmal Angst vor meiner eigenen Courage, vor dem Schritt, vor den Buchstaben. Ich rang nach Atem und nahm den Brief in die Hand.
    Ich sah in Stefans Gesicht, öffnete die Lasche und zog den Brief heraus. Den Umschlag legte ich beiseite. In deutlichen Worten s tand dort, für mich völlig überraschend...
     
    „13. Dezember 20..
     
    Liebe Scarlett,
    lange habe ich na chgedacht und nun diesen Weg gewählt, dir zu sagen, dass ich dich noch immer liebe.
    Ich hoffe, dass es mir in der Zwischenzeit gelungen ist, dich persönlich wieder zu sehen und dass ich es überlebt habe und du mich nicht gleich wieder zum Teufel gejagt hast.
    Die Vergangenheit verbindet uns und die Zeit dazwischen trennt uns. Lass uns die Zukunft wagen. Jeder hat seine Erfahrungen gemacht, aber im Kopf fühle ich mich oft noch, als wäre ich vierundzwanzig. Wenn ich träume, bin ich immer ganz jung. Ich sehe die Welt wie ein Kind. Ganz und gar nicht wie ein Erwachsener. Das mag vielleicht an den Jahren liegen, die ich mit dem Krebs leben musste, oder an den letzten zwei Jahren, in denen ich um meine tote Tochter trauerte. Und wenn ich erwache, möchte ich, dass du bei mir bist. Ich liebe Dich.
    Stefan“
     
    Stille.
    Ich räusperte mich.
    „Du hast ihn die ganze Zeit dabei gehabt.....“, flüsterte ich tonlos. Es war keine direkte Frage an Stefan, sondern eine Feststellung.
    „Ich wollte ihn dir an Weihnachten geben. Du hast mich rausgeschmissen.“
    Ich griff mit einer fahrigen Bewegung nach dem Glas mit dem Rotwein und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Rauch hing in der Luft, ein gleichmäßiges Murmeln von Stimmen. Nach einer Entschuldigung wollte ich suchen, fand aber keine. Ich zog die Schultern hoch.
    „Ich bin nicht hier, um dir Vorwürfe zu machen, sondern um mit dir neu zu beginnen.“
    Zum ersten Mal bemerkte ich, wie weich seine Stimme klang und wie ernst er es meinte. Stefan sah anziehend aus, wenn das Flackern der Kerze sich in seinen Augen widerspiegelte ganz sanft und wattig, wie in Weic hzeichner-Optik. Ich hatte mich immer gefragt, was das für ein Hormon war, welches Männer zu diesem Gesichtsausdruck befähigte, wenn sie über Liebe sprachen, sich trennten oder in den Krieg zogen.
    „Warum hast du mir damals nicht gesagt, dass du Krebs hattest, Stefan?“
    „Scarlett, was hätte das geändert? Wir
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