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Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand

Titel: Bartimäus 01 - Das Amulett von Samarkand
Autoren: Jonathan Stroud
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Junge hatte tatsächlich Tränen in den Augen, als glaubte er den Unsinn, den er erzählte, am Ende selber.
    Die Geschichte gipfelte darin, dass er sich, da es ihm nicht gelungen sei, Lovelace’ Schuld zu beweisen, nach Heddleham Hall aufgemacht habe, um die schreckliche Tat irgendwie zu verhindern. Und wie froh er sei, dass es ihm gelungen sei, die höchsten Repräsentanten des Staates zu retten und so weiter und so fort. Ehrlich, diese Story hätte sogar einen Kobold zu Tränen gerührt.
    Sie kauften ihm jedes Wort ab. Er nahm noch eilig einen kleinen Imbiss zu sich und trank einen letzten Schluck Champagner, dann brachte man ihn in einer Staatslimousine zurück nach London, wo er ausführlicher befragt werden sollte.
    Ich fuhr selbstverständlich mit. Ich hätte ihn um nichts in der Welt aus den Augen gelassen. Schließlich hatte er noch ein Versprechen einzulösen.

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    Die Schritte des Dieners auf der Treppe verklangen und der Junge und ich blickten uns um.
    »Dein altes Zimmer hat mir besser gefallen«, meinte ich. »Das hier stinkt, dabei bist du noch nicht mal richtig eingezogen.«
    »Es stinkt nicht.«
    »Doch. Nach frischer Farbe und Kunststoff und allem möglichen neuen, unechten Zeug. Passt eigentlich ganz gut zu dir, oder, Mr Mandrake?«
    Er ging nicht darauf ein, sondern lief ans Fenster, um die Aussicht zu betrachten.
    Es war der Abend nach der großen Beschwörung von Heddleham Hall und mein Herr und Meister war zum ersten Mal wieder sich selbst überlassen. Die vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte er überwiegend in Ministerial-und Polizeibehörden zugebracht, wo er seine Geschichte wieder und wieder erzählt und zweifellos bei jeder Wiederholung neue Lügen dazugedichtet hatte. Derweil hatte ich draußen auf der Straße warten müssen und war vor Ungeduld fast vergangen. 128
(Regierungsgebäude sind normalerweise bis unters Dach mit Afriten und Such-kugeln voll gestopft, die, wie ich fürchtete, etwas gegen meine Anwesenheit einzuwenden haben könnten. )
Meine Ungeduld wurde vollends unerträglich, als der Junge die erste Nacht in einem scharf bewachten Gästeflügel in Whitehall verbracht hatte. Während er friedlich im Warmen schlummerte, war ich gezwungen, mich draußen in der Kälte herumzudrücken, denn ich hatte immer noch keine Gelegenheit gefunden, das entscheidende Gespräch mit ihm zu führen.
    Doch jetzt war noch ein Tag verstrichen und man hatte über seine weitere Zukunft entschieden. Ein Regierungsauto hatte ihn zu seinem neuen Zuhause befördert, einer modernen Wohnanlage am Südufer der Themse. Um halb neun sollte es Abendessen geben, um viertel nach acht wurde er im Speisezimmer erwartet. Demnach hatten wir eine ganze Stunde für uns, und ich beabsichtigte, sie zu nutzen.
    Das Zimmer war mit dem Üblichen ausgestattet: Bett, Tisch, Schrank (jetzt aber ein todschicker begehbarer), Regal, Nachttisch, Stuhl. Eine Verbindungstür führte in ein kleines Bad. Von der rustikalen Balkendecke hing eine leistungsfähige Lampe, darüber hinaus besaß das Zimmer ein kleines Fenster. Draußen beschien der Mond die Fluten der Themse. Der Junge blickte auf die Parlamentsgebäude, die fast gegenüber lagen. Sein Gesichtsausdruck war schwer zu deuten.
    »Es ist jetzt viel näher«, stellte er fest.
    »Ja. Sie wäre bestimmt stolz auf dich.« Er drehte sich um und sah, dass ich mich als Ptolemäus auf seinem Bett lümmelte. »Runter da! Ich will nicht, dass du mit deinem grässlichen… Hey!« Er hatte in einem Fach neben dem Bett ein Buch entdeckt. »Ein eigenes Exemplar von Doktor Faustens Zauberhandbuch! Klasse! Underwood hat mich seins nicht mal anfassen lassen.«
    »Denk dran: Faust ist es nicht besonders gut bekommen.«
    Er blätterte darin herum. »Irre… Außerdem darf ich hier in meinem Zimmer kleinere Beschwörungen durchführen.«
    »Na toll.« Ich wiegte betrübt den Kopf. »Du bist von deiner neuen Meisterin wohl ziemlich angetan, was?«
    Er nickte eifrig. »Miss Whitwell ist eine sehr einflussreiche Zauberin. Ich kann viel von ihr lernen. Außerdem behandelt sie mich mit der gebührenden Anerkennung.«
    »Meinst du? Scheint ja wirklich eine äußerst ehrenwerte Dame zu sein.« Ich schnitt eine Grimasse. Meine alte Freundin Jessica Whitwell, die klapperdürre Sicherheitsministerin, Chefin des Londoner Tower, Oberaufseherin der Büßerglocken… Ja, einflussreich war sie zweifellos, und dass man Nathanael gerade in ihre Obhut gegeben hatte, war bestimmt ein Indiz dafür, wie viel
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