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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter
Autoren: Bernd Frenz
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Ausführungen fort.
    »Der zweite Schwachpunkt des Fürsten ist seine Frau. Früher war sie eine Schönheit. Eine Seiltänzerin, die den Fehler machte, Isak von Norsk eine Vorstellung zu geben. Sie war damals überhaupt nicht mit ihrer Vermählung und dem damit verbundenen Aufstieg zur Fürstin von Norsk einverstanden, denn ihre Liebe galt einem jungen Mann, der ebenfalls dem fahrenden Volk angehörte. Ein großer, blonder Jüngling mit tiefgrünen Augen, geschickt mit seinen Händen, ein begabter Jongleur. Isak erschlug ihn mit seinem eigenen Schwert und hält die Seiltänzerin seitdem in seinem Adlerhorst gefangen. Nun, das Weib war intelligent genug, ihr Schicksal zu akzeptieren und sich der Gewalt Isaks zu beugen. Doch es heißt, dass sie seitdem stark an Gewicht zugelegt habe, und man erzählt sich, dass sie ihren Gemahl mit jedem betrügen würde, der ihrem toten Geliebten ähnlich sei.«
    Arak verfluchte innerlich die Farbe seines Haares und die seiner Augen.
    Ein bleiches, lippenloses Grinsen drang durch die Finsternis, als der Priester hämisch fortfuhr: »Ich muss meinem Orakel danken, dass es mir so schnell einen Mann gezeigt hat, der sich so gut für diese Aufgabe eignet.«
    Arak verfluchte auch das Orakel.
    »Ich denke, du weißt nun, was du zu tun hast. Du wirst über die Fürstin einen Weg finden, den Herrscher von Norsk zu töten. Bist du erfolgreich, so werden wir dich mit Gold überschütten. Weigerst du dich oder versagst du, wirst du auf eine Weise leiden, wie es sich dein kleiner Verstand nicht einmal in seinen schlimmsten Alpträumen ausmalen kann.«
    »Wie viel gedungene Mörder haben es schon vor mir versucht?«, erkundigte sich Arak leise.
    »Auf diese Weise noch keiner.«
    Araks Körper stand in Flammen. In seinem Kopf machte sich betäubende Wärme breit, aber er erkannte, dass er nicht widersprechen durfte.
    »Ich werde Euren Anweisungen folgen«, krächzte er mit belegter Stimme. Wohl wissend, dass er damit sein eigenes Todesurteil fällte.
    »Gut!«, antwortete der Priester zufrieden. »Du wirst dich wieder hinab in die Halle begeben, dort warten ein gesatteltes Pferd, Proviant und ein kleiner Beutel mit Gold auf dich. Du wirst niemanden sehen und auch niemanden aufsuchen. Du begibst dich auf direktem Wege zur norskischen Grenze. Du wirst jeden Kontakt zu Menschen meiden, auch keine Wirtshäuser aufsuchen, sondern im Freien übernachten. Versuche nicht, uns zu betrügen, wir haben Mittel und Wege, dich zu überwachen.«
    Arak nickte schwach. »Ich werde Euch gehorchen.«
    »Dann geh und erfülle deine Mission.« Die letzten Worte waren kaum noch zu vernehmen. Der Priester war lautlos aus Araks Blickfeld entschwunden.
    Der Dieb fühlte sich matt und entkräftet, trotzdem raffte er sich auf und quälte sich zur Tür. Wilde Feuerstürme tobten in seinem Innersten, doch je weiter er die Stufen der Steintreppe hinabstieg, um sich von dem Ort der düsteren Unterhaltung zu entfernen, desto besser fühlte er sich wieder. Scham machte sich in ihm breit. Er war so ängstlich und hilflos gewesen, aber was sollte er gegen einen der schwarzen Priester ausrichten?
    Eigentlich hätte Arak über den ihm angetragenen Auftrag entsetzt sein müssen, denn er war ein Dieb und kein Mörder, doch seltsamerweise kamen ihm von dieser Seite nicht die geringsten Bedenken. Allein die Frage, wie er nach vollbrachter Tat seinen Kopf retten sollte, machte ihm Sorgen.
    Als er die Halle erreichte, fand er ein bepacktes und gesatteltes Pferd vor. Mühsam schwang sich der Dieb auf den Rücken des Tieres und ritt davon. Niemand war zu sehen, er fühlte sich wie der einsamste Mensch auf der ganzen Welt. Von der Tempelanlage führte ein direkter Weg zu einer kleinen Pforte in der Stadtmauer. Als er sie erreichte, war kein Wachposten zu sehen und die Tür stand sperrangelweit offen. Arak ritt hindurch und ließ Maron auf einer Nebenstraße hinter sich.
    Die dunkle Ahnung, dass er seine Heimatstadt nie wiedersehen würde, stieg wie ein Schatten in ihm auf. Er hatte es immer gewusst, wenn eine Sache eine Nummer zu groß für ihn war, und für gewöhnlich die Finger davon gelassen. Dieser Auftrag war nun viel zu groß für ihn.
    Er war praktisch schon tot, lebte nur noch von geborgter Zeit. Ein lebender Toter, dazu bereit, sein Opfer mit in das kalte Tal der Finsternis zu zerren.
    Entschlossen schüttelte Arak den Kopf, um seine dunklen Gedanken zu verscheuchen. Er hatte nur eine Chance, wenn er den Priestern gehorchte und den
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