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Bannstreiter

Bannstreiter

Titel: Bannstreiter
Autoren: Bernd Frenz
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Lindwurm stießen sie in das Labyrinth der Altstadt vor, drangen immer tiefer in den Basar ein und walzten nieder, was ihnen vor die Füße kam.
    So mancher verkrüppelte Bettler, der nicht schnell genug war, bekam ihre Sohlen zu spüren. Die zur Seite flüchtenden Menschenmassen waren so gewaltig, dass einige Verkaufsstände unter dem Druck der schiebenden Leiber zusammenstürzten.
    Die Wachen hinterließen eine Spur der Verwüstung, in deren Sog sich fluchende Basarbesucher und zeternde Händler mit Tränen in den Augen wiederfanden. Doch die Soldaten in ihrer schweren, mit Eisen verzierten Lederkluft marschierten weiter, seelenlosen Dämonen gleich, die nur den Befehlen ihres Stadtkommandanten gehorchten, der sich in ihrer Mitte befand. Das war es, was den Menschen so viel Furcht vor dieser Wachabteilung einflößte. Wenn einer der vier Stadtkommandanten persönlich mit seiner Leibgarde in der Öffentlichkeit erschien, bedeutete dies nichts Gutes.
    Viele Langfinger, Halsabschneider und ähnliches Gesindel, ja sogar einige ehrbare Bürger ergriffen die Flucht, als sie hörten, wer da nahte. Niemand wollte herausfinden, ob gerade er es war, dem der Aufmarsch galt. Arak dagegen wartete ruhig und gelassen ab. Wer floh, machte sich nur verdächtig. Er konnte sich auch an keinen Diebstahl in jüngster Vergangenheit erinnern, der ein derartiges Interesse an seiner Person gerechtfertigt hätte.
    Selbst als sich die Soldaten näherten, ihre Formation auflösten und einen Halbkreis um ihn und einige andere Basarbesucher bildeten, fühlte er sich nicht bedroht. Erst als sich ein Hüne, dessen Helm mit dem Federbusch der Kommandantenwürde geschmückt war, vor ihm aufbaute, ahnte er langsam, dass er einen Fehler begangen hatte.
    »Arak von Ralon?«, fragte der hohe Offizier knapp.
    Der Dieb überschlug in Gedanken rasch seine Chancen; doch er erkannte schnell, dass er weder fliehen noch lügen konnte. Das Beste war wohl, bei der Wahrheit zu bleiben, den Unterwürfigen zu markieren und abzuwarten, was das Schicksal für ihn bereithielt.
    »Man nennt mich Arak«, bestätigte er daher. »Ich wurde auch in Ralon geboren. Trotzdem muss es ein anderer sein, dem Euer Interesse gilt, denn ich bin nur ein Gaukler, der die Menschen erfreut. Niemand, den man mit so vielen kräftigen Männern jagen muss.«
    Bei diesen Worten zog er drei große, runde Äpfel hervor, die er einige Stände zuvor mitgehen lassen hatte, und begann geschickt zu jonglieren. Trotz seiner zitternden Hände ließ er die Früchte pfeilschnell durcheinanderwirbeln, während er in seinen zartgliedrigen Fingern ein unangenehmes Ziehen bemerkte, als ob bereits eine scharfe Klinge über ihnen schwebte. Wie lange würden diese Hände noch sein eigen sein?
    Die Lippen des Kommandanten verzogen sich zu einem breiten Grinsen, das sein kantiges Gesicht in zwei Hälften spaltete. »Du bist genau der, den wir suchen.«
    Brutal schlug er dem Dieb die Äpfel aus den Händen und stieß ihn in die offenen Arme zweier Soldaten. »Die Priester erwarten dich!«
    Ein erschrockenes Murmeln ging durch die umstehende Menge. Araks Mund wurde trocken, sein Magen verwandelte sich in einen harten Klumpen, und die Knie wurden weich. Die schwarzen Priester von den Türmen! Damit konnte sich Arak nicht nur von seinen Händen, sondern auch gleich von einigen anderen wichtigen Körperteilen verabschieden. Eine unnatürliche Stille legte sich über den Marktplatz. Arak war ein schlanker, drahtiger Kerl, doch in dieser Situation gab es für ihn keine Möglichkeit zu entkommen. Als ihn die Wachen in ihre Mitte nahmen und fortführten, sah er die mitleidigen Blicke vieler Menschen.
    Eine Begegnung mit den schwarzen Priestern wünschte man in Maron nicht einmal seinem schlimmsten Feind. Doch mit dem Verschwinden der Stadtwache verdrängten die Anwesenden auch das gerade Erlebte. Die zertrümmerten Stände wurden wieder aufgebaut, das Geschrei und Geschwätz der Händler und Kunden setzte erneut ein. Als die Mittagshitze vorüber war, hatten alle das Geschehene bereits wieder vergessen, fast so, als hätte es nie einen Arak von Ralon gegeben.
    2.
    Sie führten ihn durch große, dunkle Hallen, tief in das Allerheiligste. Dorthin, wo nur wenige lebend hineingelangten und noch weitaus weniger wieder heraus: in die Schwarzen Türme der Macht.
    Der Tempel der Priester lag auf einer Hochebene, weit über den Dächern der übrigen Gebäude. Eine großzügige Anlage mit ausgedehnten Grünflächen und mehreren
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