Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
Vom Netzwerk:
eingeworfen, bevor er das Zyankali schluckte. Wahrscheinlich wollte er es sich damit leichter machen, was weiß ich. Jäger fragte, ob ich etwas darüber wüßte, weil ich ihn doch am besten kannte. Ob Klingenberg auch sonst irgendwas nahm, meine ich. Und woher er den Stoff bekommen haben könnte.«
    »Er wollte auf deinen Bruder hinaus.«
    »Richtig. Er will ihn sich vornehmen.«
    »Mit dem Risiko muß dein Bruder leben.«
    Sie nahm einen Schluck von dem Campari. »Ich will’s noch mal probieren, Fabio.«
    »Was probieren?«
    »Ihn zu finden. Mit ihm zu reden. Ich will ihn...«
    »Bekehren? Vergiß das doch, Johanna. Du hast selbst genug Sorgen.«
    Sie wußte, worauf er anspielte. Stumm drehte sie das Glas zwischen den Händen.
    »Du hast ein neues Kleid an«, sagte er sanft. »Er war also wieder da.«
    »Vielleicht habe ich es mir selbst gekauft«, gab sie trotzig zurück.
    »Nein, das hast du nicht.«
    »Okay, es ist von ihm. Aber er mußte es durch den Briefschlitz stopfen.«
    »Du hast es an.«
    »Ich habe ein neues Schloß einbauen lassen.«
    »Du hast es an. Es sieht teuer aus. Italienisches Design.«
    »Er kommt nicht mehr in die Wohnung. Ich bin es leid, verstehst du?«
    »Es steht dir gut. Er hat einen ausgezeichneten Geschmack. Alles, was er dir mitbringt, kleidet dich gut. Du bist klein, da ist es nicht einfach. Aber er schafft es, immer wieder. Immer das richtige Kleid. Du bist wunderschön. Eine wunderschöne, exquisite kleine Puppe.«
    »Verdammt, bist du taub? Ich erzähle dir gerade, daß er dabei ist, aus meinem Leben zu verschwinden, und du faselst irgendwas von Kleidern und Puppen daher! Als wäre ich ein Spielzeug!«
    Er senkte träge die Lider.
    »Ich habe das Schloß auswechseln lassen!« sagte sie herausfordernd.
    »Du wiederholst dich. Außerdem wußte ich es schon.«
    »Woher?«
    »Das Haus hat Augen«, meinte er leichthin. Er blickte sie an. »Du wirst das Penthouse ohne sein Geld nicht lange halten können. Von deinem Verdienst würde nicht viel übrigbleiben, wenn du die Miete allein finanzieren mußt. Es sei denn, du willst in Zukunft weiterhin seine Kleider tragen.«
    »Ach, hör auf damit. Ich werde ausziehen. Wozu brauche ich eine zweihundert Quadratmeter große Fünfzimmerwohnung, noch dazu ohne Möbel? Ich hoffe, daß ich irgendwo in der Nähe etwas anderes finde. Es ist sehr bequem, jeden Tag zu Fuß zur Bank gehen zu können. Außerdem habe ich mich an deine Küche gewöhnt. Aber ich kann mir Zeit lassen. Er hat für ein Jahr im voraus die Miete bezahlt.«
    »Nobel von ihm. Sehr großzügig, wirklich.«
    Sie antwortete nicht.
    »Kann sein, daß demnächst hier im Haus etwas frei wird«, sagte er. »Eins von den Apartments.«
    »Oh. Welches? Wieviel?«
    »Im dritten, das neben meinem. Kostet auch dasselbe. Zweieinhalb kalt.«
    »Das wäre nicht schlecht.« Sie trank erneut von dem Campari und lächelte schief. »Wegen der Dachterrasse ist es schade. Es ist zu schön da oben. Man ist so herrlich allein. Am besten ist es abends, im Sommer. Kurz nach dem Sonnenuntergang. Es ist wie eine riesige, überwältigende Bühne. Das Häusermeer vor dem Abendhimmel, eine grandiose Kulisse. Wenn sich dann langsam die Dunkelheit bis zum Horizont schiebt: die Ouvertüre.«
    »Und das Stück?«
    »Die Stadt ist das Stück. Das beste von allem.«
    »Ein langweiliges Stück. Ohne Spieler und ohne Handlung. Es schlafen doch alle.«
    »Nein, so ist es nicht. Darin liegt ja das Besondere. Ich habe in der letzten Zeit ein paarmal meinen Schlafsack mit nach draußen genommen und dort geschlafen. Einmal war ich die ganze Nacht wach. Ich habe die Stadt belauscht, sie betrachtet. Sie ist wie ein schlafendes Tier, ganz still. Nur schwache Bewegungen, ab und zu ein Wagen auf der Straße, wie ein Muskelzucken. Ein paar Leute, die betrunken um die Ecke kommen, sonst nichts. Und dann ist das Stück zu Ende, ganz plötzlich. Der Horizont wird grau, da sammelt sich ein Brausen in der Ferne, die Rush-hour fängt an. Die Sonne geht auf. Die Bühne ist hell, der Tag hat uns wieder.«
    »Klingt, als könntest du dich nur schwer von der Wohnung trennen.«
    »Ich habe von der Terrasse geredet. Die Wohnung ist nur Staffage. Ich brauche keinen Marmor und kein Edelholzparkett und keine Kristallspiegel.«
    »Keine Kunstsammlung und keine Designerklamotten.« In seiner Stimme klang Spott mit und noch etwas anderes. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Johanna, Schmerz und Sehnsucht hinter seinen Worten zu hören. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher