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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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dachte währenddessen, wie verrückt es war, ein solches Vermögen zu verbrennen, aber dann, als die letzte Glut erloschen war, überkam sie ein Gefühl tiefen Friedens. Fabio hatte recht. Es war nicht Verschwendung, sondern Befreiung. Mit diesem Geld hatte sie zugleich einen Teil ihres früheren, gequälten Selbst in die Flammen geworfen, um in der läuternden Hitze des Feuers neu zu entstehen. Solange diese Wärme sie umhüllte, lebte sie.
    Sie drehte sich zu Fabio um und betrachtete ihn beim Lesen. Sein Gesicht war nachdenklich, von Zeit zu Zeit bewegten sich seine Lippen, und er runzelte die Stirn. Ihr Herz flog ihm entgegen, und sie rutschte zu ihm hinüber, beugte sich vor und küßte die Furchen von seiner Stirn.
    »Das war’s. Alles verbrannt.« Sie zog sich mühsam auf die Füße, streckte sich und drückte eine Hand ins Kreuz. »Wollen wir? Die neuen Mieter werden sicher gleich kommen, und du mußt noch die große Kiste runtertragen.«
    Er stand geschmeidig auf und schlang die Arme um sie. »Dich?«
    »Du bist gemein.«
    Er lachte, sank vor ihr auf die Knie und umfaßte mit beiden Händen ihren gewaltigen Bauch. »Verzeih mir, cara. Und ihr beiden da drin auch.« Er küßte und liebkoste die schwere Rundung unter dem Umstandskleid, bevor er wieder aufstand und sie erneut in die Arme zog. Das Radio auf dem Fußboden in der Ecke spielte, und sie küßten sich zu den Schlußtakten von Groovy kind of love, Johannas gewölbten Bauch mit den Zwillingsbabys zwischen sich. Johanna löste sich nur zögernd von ihm. »Laß uns noch einmal rausgehen.« Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich, zur offenen Tür der Dachterrasse.
    Sie hatte Monate gebraucht, bis sie es über sich gebracht hatte, das Penthouse zu betreten, und als sie es schließlich, nachdem der ganze Presserummel vorbei war, zum erstenmal getan hatte, hatte sie hinterher stundenlang in den Armen ihres Mannes geweint. In der folgenden Zeit war sie nicht mehr oft hier gewesen. Einmal, um die Möbel zu verkaufen, und einmal, als die neuen Mieter die Wohnung besichtigt hatten. Heute war sie zum letztenmal hergekommen, um ihre restlichen Habseligkeiten in Kisten zu verpacken. Und um böse Erinnerungen zu verbrennen.
    Sie fragte sich, ob sie wieder weinen würde, wie die letzten Male, als sie hier gewesen war. Sie weinte oft, meist nachts, wenn sie aus Alpträumen erwachte, doch immer war Fabio da, hielt sie fest und wärmte sie. Anfangs hatte sie fast jede Nacht diese Träume gehabt, aber sie wurden seltener, und Johanna wußte, daß sie bald ganz aufhören würden, so wie bei ihrem Mann. Fabio hatte seinen Frieden mit Ernesto gemacht. Sie telefonierten, hielten jedoch Distanz, ein Arrangement, das funktionierte. Ernesto beschied sich vernünftigerweise mit dem, was Fabio ihm zubilligte. Er selbst war großmütiger. Seine Frau durfte ihren Bruder besuchen, wann immer ihr der Sinn danach stand. Gina hatte seit Wochen die Koffer für den nächsten Besuch gepackt und wartete mit wachsender Ungeduld auf die erlösende Nachricht. Johanna rechnete jetzt täglich mit der Niederkunft.
    Als sie an den Pflanzkübeln vorbeikam, scheuchte sie einige Tauben auf, die dort herumstolzierten und pickten. Sie ging weiter bis zur Brüstung und legte die Hände darauf. Fabio trat hinter sie, umschlang ihre Mitte und faltete seine Hände über ihrem Nabel. »Es wird langsam kälter.« Sein Atem strich über ihre Wange. Sie blickten auf das Meer der Dächer, das sich vor ihnen ausbreitete. »Altweibersommer«, murmelte sie.
    »Hm?«
    »Altweibersommer. So nennt man es, wenn der Sommer vorbei ist, aber der Herbst noch nicht angefangen hat.«
    »Eine Art Intermezzo.«
    »Ja. Ein Intermezzo, so wie mein Leben ohne dich.«
    »Wie mein Leben ohne dich. Wo gehen wir hin?«
    »Nach unten in deine Wohnung, die jetzt auch meine Wohnung ist, vorausgesetzt, du schaffst es, die Kiste so weit zu schleppen.«
    »Nein, ich meine, in welche Stadt?«
    »Mir egal. Hauptsache, es ist nicht Frankfurt. Diese Stadt ist schlecht für Kinder. Wir warten, bis die Babys da sind, dann fragen wir die beiden nach ihrer Meinung.«
    »Ich mein’s ernst. Wo würde es dir gefallen?«
    »Mit dir überall«, erklärte sie überzeugt. Sie zögerte. »Was hältst du von Neapel?« meinte sie dann.
    »Neapel?« fragte er verblüfft.
    »Nur ein Urlaub«, schwächte sie ab. »Ich hatte es dir versprochen, damals, erinnerst du dich? Du wolltest es mir zeigen, dein Neapel. Du hast mich gefragt, ob ich es eines Tages
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