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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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Jäger bei sich trug. Das letzte Stück war zu Ende.
    F
    abio hielt irgendwo zwischen Neapel und Rom auf der Küstenstraße an. Es war elf Uhr nachts, und sie waren vor etwa einer Stunde losgefahren. Er hatte sich Johannas Wünschen gefügt und war damit zugleich seinen eigenen zuvorgekommen. Der Palazzo war ihm verhaßt. Die Erinnerungen, die ihn aus allen Ecken ansprangen, taten weh. Ebenso wie Johanna wollte er keine Stunde länger dort bleiben. Und er wollte so schnell wie möglich zu seiner Schwester. Von Rom ging in dieser Nacht noch ein Flug nach Frankfurt.
    Fabio knipste die Innenbeleuchtung an. »Rede mit mir. Bitte.«
    Sie erinnerte sich flüchtig, vor nicht allzulanger Zeit selbst etwas ähnliches zu ihm gesagt zu haben. Langsam wandte sie sich ihm zu. Eine Hälfte ihres Gesichts lag im Schatten. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Irgend etwas. Ob es vorbei ist. Ob du uns eine Chance gibst.«
    Sie drehte den Kopf und starrte schweigend aus dem Fenster. Die absolute Schwärze jenseits der Küstenstraße ließ das Meer ahnen, das zu ihrer Linken lag. »Gib mir Zeit.«
    Er stieß die Luft aus und ließ das Lenkrad los, das er umklammert hatte. Sie hätte es ihm gesagt, wenn es vorbei gewesen wäre. Sie hatte ihn noch nie belogen. Es war nicht vorbei. Es gab eine Chance für sie beide. Johanna würde es schaffen. Sie würde damit umgehen können. »Das tue ich«, sagte er mit schwerem Akzent. »Ich gebe dir Zeit.«
    »Ich muß nachdenken. Ich werde nicht lange brauchen, das verspreche ich.« Sie versuchte, mit ihren Blicken das Dunkel zu ihrer Linken zu durchdringen. »Ich gehe hinunter zum Meer und laufe ein Stück.«
    »Warum nicht.« Er legte die Hand an den Türgriff, doch Johanna schüttelte den Kopf. »Allein. Bitte, ich muß jetzt allein sein.« Sie stieg aus und warf die Tür zu.
    Fabio schaute ihr nach, sah ihre Gestalt im schwachen Schein des Standlichts in Richtung Strand verschwinden. Er zog ein Handy aus der Jackentasche und tippte eine Nummer. Ernesto hatte es ihm aufgedrängt und ihn beschworen, sich von unterwegs zu melden. Fabio hatte widerstrebend genickt und sich dabei gefragt, wie er in Zukunft sein Verhältnis zu Ernesto gestalten sollte. Spätestens bis morgen mußte er deswegen mit sich ins reine gekommen sein, wenn er ihn in Frankfurt wiedersah, an Ginas Krankenbett. Ernesto wollte die Frühmaschine von Neapel aus nehmen.
    Fabio legte den Kopf zurück, das monotone Freizeichen im Ohr.

    Johanna lauschte dem Rollen der Dünung. Es war dunkel, aber nachdem sie ein, zwei Minuten auf das Meer hinausgestarrt hatte, paßten ihre Augen sich der Nacht an, und sie nahm die schwache Fluoreszenz auf den Wellen wahr. Schließlich erkannte sie auch in ihrer unmittelbaren Nähe die Umrisse einer ins Meer hinausragenden Felsformation, diffus erhellt durch die entfernte Straßenbeleuchtung der kleinen Ortschaft, die sie zuletzt durchfahren hatten.
    Der Wind kam vom Meer, rauh, aber nicht kalt, und er brachte den Geruch von Salz und Tang mit sich. Einer spontanen Eingebung folgend, bückte Johanna sich und zog ihre Schuhe und Strümpfe aus. Sie stopfte beides in die Taschen ihrer Jacke und grub die Zehen in den nassen, kalten Sand. Kleine Wellen klatschten gegen den Strand und benetzten ihre Füße. Sie fragte sich, was aus Helmberg geworden war und ob Wiking und die führenden Köpfe des Troja-Projektes schon verhaftet waren. Sie versuchte, sich Jägers Gesicht vorzustellen, seinen Ausdruck, als er das Fax bekommen hatte. Der einzige Hinweis auf den Absender war die Sendekennung der Import-Export-Firma, unter deren Namen Ernesto seine zahlreichen Geschäfte abwickelte. Dennoch zweifelte Johanna keine Sekunde, daß Jäger sofort gewußt hatte, von wem es kam.
    Sie dachte über all diese Dinge nach, weil sie nicht an Fabio denken wollte und an die Entscheidung, die sie ihm versprochen hatte. Ein Teil ihres Wesens, so erkannte sie, hatte diese Entscheidung bereits gefällt. Es war das einsame, verwundete Kind in ihr, das sich nach Stärke und Geborgenheit sehnte.
    Er war stark und verhieß Geborgenheit. Er war der Mann, der seine schmutzige Vergangenheit abgestreift und von vorn angefangen hatte. Der Mann, der sich selbst aus Kochbüchern und Krimis Deutsch beigebracht hatte. Er war das Kind, das sich nach Glück und Wärme sehnte wie sie selbst. Er war jener Gassenjunge, der barfuß durch die Altstadt von Neapel zog und Lucky Strikes verkaufte und sonntags ans Meer fuhr.
    Es wäre alles so
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