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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse
Autoren: Anne Sievers
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daß Sie diese Straße nehmen, ich mußte nur irgendwo warten, bis Sie vorbeikommen, und Ihnen hinterherfahren. Ich kenne Ihre Gedanken, wußten Sie das? Jetzt denken Sie an Hilfe.« Er keckerte, ein gräßliches, tierisches Geräusch, dicht vor ihrem Mund. Sie spürte, wie Tropfen seines Speichels ihre Lippen trafen.
    »Ich weiß noch mehr von Ihnen, Johanna«, wisperte er. »Ja, ich weiß etwas... Sie wollen es. In Wahrheit wollen Sie es. Sie möchten tot sein. Sterben muß nicht schlimm sein, glauben Sie mir. Ich kenne mich mit diesen Dingen aus. Ich kann es schön für Sie machen. Man sagt, Ertrinken ist der schönste Tod. Es ist ein bißchen kalt, ein bißchen dunkel, und schon ist es vorbei. Kommen Sie, Johanna. Kommen Sie nur!«
    Ihr Bewußtsein schwand bereits, als er sie zum Wasser zerrte und hineinstieß. Er ließ ihre Kehle los, aber nur, um ihren Kopf zu packen und unter Wasser zu stoßen. Es schoß ihr eiskalt und beißend salzig in Nase und Mund, als sie verzweifelt versuchte zu schreien. Sie strampelte und versuchte, ihn zu treten und seine Hände von sich wegzuziehen, aber ihre Bewegungen waren kraftlos und wurden langsamer und schwächer. Schließlich erlahmten sie ganz. Ihre Augen waren weit geöffnet, doch sie sah nichts, außer vollkommener, lockender Schwärze. Die Spirale erfaßte sie, wirbelte sie herum und zog sie hinab. Ernst hatte recht. Es war ein bißchen kalt, ein bißchen dunkel. Und schon fast vorbei. Hinter der Schwärze glaubte sie Schatten zu sehen, Schatten von jenen, die auf sie warteten. Da war ihr Bruder. Harald. Ihre Eltern. Sie fühlte nichts mehr, nur ein leises Bedauern wegen Fabio. Er hatte sie so geliebt. Bestimmt wäre es schön geworden mit ihm.
    Dann, als sie glaubte, die Schatten auf der anderen Seite schon mit den Fingerspitzen berühren zu können, war da noch eine andere Empfindung, etwas unglaublich Helles, so gleißend und intensiv, daß es wie ein Stromschlag durch sie hindurchfuhr. Es zuckte und flirrte in vollendeter Schönheit, ein weißes Licht tief in ihr, winzig und doch so stark, daß es die Macht ihrer Seele in sich bündelte. Schrei, dachte sie. Schrei, schrei, schrei!
    Und ihre Seele schrie.

    Fabios Kopf ruckte hoch. Die gedankenvolle Stille, die ihn umgab, hatte sich abrupt verändert. Sie war zu einem dichten, schweren Netz der Angst geworden. Einen Wimpernschlag lang hatte er die Vision von flehend ausgestreckten Händen, die versuchten, das Netz zu zerreißen.
    Er warf das Handy auf die Ablage vor der Windschutzscheibe und drückte auf den Knopf in der Fahrertür. Die Scheibe surrte herunter, und kühle, salzige Luft stieg in seine Nase.
    »Johanna?« rief er.
    Er hörte nichts außer dem schwachen Rauschen der Brandung. »Johanna?« Nichts. Etwas kroch seine Wirbelsäule hoch und wuchs in seinem Genick fest. Angst, Panik — die ihn für Augenblicke lähmten. Dann platzte irgend etwas in ihm, und er fühlte die Gewalt, mit der sein Blut durch seine Adern pumpte. Sein eigener Herzschlag machte ihn taub, er nahm nichts mehr wahr, nur noch das rasende Stakkato in seinen Ohren. Seine Jacke blieb an der Tür hängen und zerriß mit einem schnalzenden Geräusch, als er aus dem Wagen sprang. Er rannte den Strand hinunter, in die Richtung, in welcher sie verschwunden war. Er hatte mit Ernesto gesprochen, kurz nur, doch er wußte nicht genau, wie lange. Es konnten ebensogut zwei Minuten wie auch drei gewesen sein. Und es hatte eine Weile gedauert, bis er ihn erreicht hatte. Johanna war vorher ausgestiegen und gegangen, den Strand entlanggelaufen. Wie lange? Fünf Minuten? Zehn?
    Er schrie nicht, denn seine Lungen waren voller Luft, Luft, die nicht hinauskonnte. In seiner Kehle brannte ein seltsames, schreckliches Feuer, und auf irgendeine unbegreifliche Art wußte er plötzlich, daß Johanna starb. Es war ihr Schmerz, den er fühlte. Er taumelte und fiel in den groben, feuchten Sand, kämpfte sich wieder hoch und rannte weiter. Zwanzig Schritte weiter stürzte er abermals und schlug mit dem Knie gegen einen Stein. Der Knochen knackte, doch Fabio spürte nichts, nur ein seltsames Gefühl der Taubheit, das sich in seinem Bein ausbreitete, als er sich hochzog und weiterjagte. Er lief mit riesigen Sprüngen, das unverletzte Bein voll belastend, das andere hinter sich herziehend wie totes Holz. Dann hörte er es. Ein Platschen weiter vorn im Wasser, unmittelbar in der Nähe einer Felsgruppe, die vor ihm aus der Dunkelheit auftauchte. Er machte den Oberkörper
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