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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
Autoren: René Zeyer
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gewesen, aber jetzt, konnte man nicht anders sehen, war das Dach eingestürzt. Rutishauser checkte kurz, ob die letzte Quartalsrechnung von Walterhans bezahlt war – doch, immerhin, damit waren wohl höchstens seine Bemühungen der letzten drei Monate für die Katz gewesen. So weit alles im gelben Bereich, wie Rutishauser zu sagen pflegte, aber da gab es noch ein klitzekleines Problem. Aber Rutishauser arbeitete schon lange genug im Accounting, als dass er nicht wüsste, wie man das lösen könnte.
    Also stand Rutishauser auf, marschierte den langen Gang der Headquarters von Elmore, Little and Willis runter, öffnete mit seinem Badge die Lifttüre und fuhr drei Stockwerke nach oben. 1200 Mitarbeiter, Tax, Accounting und Advisory, das übliche Angebot halt, alles aus einer Hand, worldwide, aber natürlich absolut wasserdicht mit Chinese Walls getrennt. Muss so sein, sonst könnte ja passieren, was genau in diesem Moment passierte, aber in Wirklichkeit passierte ja gar nichts.
    Rutishauser klopfte kurz an die Türe, Exekutive Officer Advisory, Peter Sütterlin, MBA, stand in goldenen Lettern drauf, darum beneidete Rutishauser den Sütterlin schon lange. »Hallo Peter, mal Zeit für einen Kaffee? Nein, jetzt sofort.«
    Peter schob einen Aktenstapel auf die Seite, die Sekretärin servierte zwei Kaffees, mit je einem Sprüngli-Truffe, auch darum beneidete ihn Rutishauser. »Ich mache es kurz«, sagte er, »Stichwort Walterhans, Zwischenrechnung muss sofort raus, Zahlungstermin drei Tage. Alles klar?« Genüsslich schob sich Rutishauser die Truffe in den Mund, während er die Reaktion von Sütterlin abwartete.
    »Drei Tage, sagst du«, fragte Sütterlin, »so schlimm?«
    »Schlimmer«, bekräftigte Rutishauser, »aber drei Tage kann ich’s noch rausschieben.«
    »Du hast einen gut bei mir«, versicherte ihm Sütterlin, dann konsultierte er kurz seinen Computerbildschirm. »Du wirst dieses Jahr Partner, versprochen«, sagte Sütterlin dann, »und schön, dass wir über den nächsten Firmenevent gesprochen haben.«
    »Und über nichts anderes«, grinste Rutishauser, schnappte sich noch Sütterlins Truffe und stand auf.
    In meinem neuen Büro will ich dann aber frische Truffe du jour, dachte er, während er zu seiner Abteilung zurückmarschierte. Er blieb kurz vor seiner Bürotüre stehen, um die Verzierung durch eine Inschrift in goldenen Buchstaben auf sich wirken zu lassen. Kriege dann sowieso ein Eckbüro, träumte sich Rutishauser in die Zukunft, je drei Fenster, endlich alles in USM, das wird großartig. Aber noch großartiger war, dass Rutishauser endlich an den großen Fleischtopf der Bonusausschüttungen rankam, denn der war selbstverständlich für Partner reserviert, die durch jahrelangen und aufopferungsvollen Einsatz für die Firma bewiesen hatten, dass sie dieser Ehre würdig waren. Rutishauser verbrachte den Rest des Tages damit, Autokataloge zu studieren.
    Walterhans zahlte innert drei Tagen brav die gesamte Advisory-Fee, zwei Tage später musste die Firma die Bücher deponieren. Sechs Monate später war Rutishauser Partner, mit Eckbüro, USM, goldenen Lettern auf der Türe und täglich so vielen Truffe du jour, wie er wollte. Am Anfang hatte er noch Probleme, seinen neuen Siebener BMW im ersten Anlauf in die Parklücke zu kriegen.
    Weitere sechs Monate später einigte sich Elmore, Little and Willis mit dem Nachlassverwalter von Walterhans darauf, stillschweigend und unter Vermeidung weiterer juristischer Auseinandersetzungen und inklusive eines silence agreements die Advisory-Fee in die Konkursmasse zurückzuführen. Drei Stunden später war Rutishauser seinen Badge, sein Eckbüro und seine Partnerschaft los. Am Ausgang wurde ihm auch noch die Tüte Truffes du jour abgenommen, die er eingepackt hatte, das schmerzte ihn am meisten.
Neun
    Philipp Kuster lehnte sich befriedigt in seinem Sessel zurück. Er war wieder im Kommen, das spürte er deutlich. Gestern hatte er einen Vortrag vor dem Rotary-Club Glattbrugg gehalten. Gut, war nicht erste Liga, aber er hatte Corporate Communications damit beauftragen dürfen, ihm ein knackiges Manuskript zum Thema »Managerlöhne, und wer redet von der Verantwortung?« zu basteln. Hatte dann selbst noch Hand angelegt, besonders stolz war er auf seine Darstellung eines durchschnittlichen Arbeitstags. Mindestens 14 Stunden, meistens 16, auch mal 18, gedrängt voll mit Entscheidungen, Terminen, durchgeplant bis ins Letzte; einzig eine funktionierende Infrastruktur sorgt
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