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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
Autoren: René Zeyer
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Varianten vorgeschlagen, KVs eingeholt, Alternativen aufgezeigt, abgeklärt, ob die Kugelschreiber in China nicht mit Kinderarbeit hergestellt wurden, die Lifespan verschiedener Modelle abgeklärt, Druck-, Dreh-, Einweg- und wieder verwendbare Kugelschreiber evaluiert, und so war der ins Auge gefasste Termin Weihnachten ins Land gegangen, jetzt arbeitete man auf den ersten August als Versandtermin für das Werbegeschenk hin.
    Eigentlich war das das Rollout Final Meeting, das mit einem gemeinsamen Abendessen des Projektteams seinen krönenden Abschluss finden sollte. Aber nun hatte Meier »Ich weiß nicht« gemurmelt. Meier legte den Kugelschreiber aus der Hand, starrte auf den Blackberry vor sich und sagte fast unhörbar: »Ein Kugelschreiber? Im Sommer? Kann das wirklich richtig sein?«
    Einer der beiden Communication Assistants sah die Chance seiner noch jungen Karriere gekommen: »Wir könnten das natürlich auch on hold stellen, wie wäre es denn ersatzweise mit einem Badetuch?« Meier blickte schräg an ihm vorbei und nuschelte: »Badetuch? Ist im Ansatz nicht ganz falsch, wobei, ob das die Core Values unseres Unternehmens wirklich transportiert, vielleicht …« Was er noch hinzufügte, verstand nun wirklich niemand mehr im Raum.
    Der zweite Communication Assistant wusste, dass er nun unbedingt etwas sagen musste: »Vielleicht sollte man da auch an die Versandkosten, Packaging, Gewicht und Größe denken, und wie verbindet man das mit einem Begleitschreiben? Und wenn die Kunden das auf der Post abholen müssen, nicht daran zu denken.«
    Niemand war sich sicher, ob Meier überhaupt zugehört hatte, denn er tippte mit zwei Fingern auf seinem Blackberry herum. Meier seufzte leise, dann warf er seinen »Hier muss ich mich auch um alles selber kümmern«-Blick in die Runde, verschränkte für einen Moment die Hände hinter dem Kopf, dann massierte er mit zwei Fingern seine Nasenwurzel. Allen war klar, hier leidet ein CCO unter dem unmenschlichen Druck seiner Verantwortung.
    »Nun«, sagte Meier plötzlich und hob seine Stimme um mindestens zwei Phon an, »das ist vielleicht alles noch nicht entscheidungsreif.« Dann stand er abrupt auf und verließ grußlos den Raum.
    Da wusste der Head Customer Management, dass sein Moment gekommen war: »Ich schlage vor, dass wir die Variante Badetuch evaluieren, Pro und Contra, Logistik, Vorschläge der Werbeagentur einholen, Muster, Varianten, die Qualitätsfrage nicht vergessen, Kugelschreiber ist vorläufig on hold. Schlage als nächsten Termin KW 27 vor, bis dahin sollten erste Entscheidungsgrundlagen vorliegen.«
    Fünf Augenpaare starrten ihn fragend an, und der Executive Communication Assistant meldete sich zu Wort: »Und das Abendessen?«
    »Ist doch um sieben im Blue oder hat sich da etwas verschoben?«, fragte der Head Customer Management und hob das Meeting auf.
Zwölf
    Philipp Kuster brüllte in den Telefonhörer: »Und was soll ich mit dem Scheiß anfangen? Das könnt ihr euch doch rollen und hinten reinstecken. – Wie? – Das ist das offizielle Wording, abgesegnet vom CCO nach Rücksprache mit GL und VR? Ja, vielen Dank.«
    Kuster schaute den Telefonhörer, den er gerade auf die Gabel geknallt hatte, finster an. Ich bin von Deppen umzingelt, seufzte er. Die Börsen fuhren Achterbahn, alle großen Banken steckten schwere Schläge ein, jetzt hatte sich gerade noch die Société Générale von einem eigenen Mitarbeiter um acht Milliarden Franken erleichtern lassen. Kusters Kunden, jedenfalls die, die sich für die Performance ihrer Geldanlage interessierten, klingelten von Yachten, aus Puffs, ja selbst ein Irrer vom Nordpol via Satellitentelefon an, um zu wissen, was er, Kuster, empfehlen würde.
    Da Kusters Wissen über die Börse sich darauf beschränkte, dass Blue Chips immer eine gute Sache sind, Pharma auch, aber nicht immer, Banken auf jeden Fall, und das half in diesem Moment auch nicht wirklich, hatte er Corporate Communications gebeten, ihm ein Wording zu basteln, was er denn am gescheitesten sagen solle.
    Und jetzt das: »Die aktuell hohe Volatilität der Märkte lässt es ratsam erscheinen, die Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, um im gegebenen Moment rasch entscheiden zu können.« Heiße Luft, nichts als gebackene Luft, stöhnte Kuster. Oder dieser hier: »Antizyklisches Verhalten kann zu interessanten Gewinnmitnahmen führen, allerdings ist dabei eine sorgfältige Risikoabwägung unbedingt empfehlenswert.« Und noch so ein Knaller: »Investitionen in
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