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Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker

Titel: Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
Autoren: René Zeyer
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ganzen schönen neuen Büroräume in Zürich-Oerlikon, Großraum natürlich. Falls man Hühner so halten würde, stünde längst der Tierschutz auf den Barrikaden, sagte sich Kuster immer. Aber was interessierten ihn die Probleme seines Scheiß-Backoffice, und Müller würde sich darüber sowieso nicht den Kopf zerbrechen müssen.
    Nein, in solchen Situationen musste man kühlen Kopf bewahren, Prioritäten setzen, das wusste Kuster. Und seine Priorität war eindeutig: Mich kriegt man von der Bahnhofstrasse nicht weg. Ausgeschlossen. Gab es in Oerlikon etwa einen Sprüngli? Einen gut bestückten Kleiderladen von Armani bis Zegna? Eine »Juwelenhalle« zum Feiern? Würde sein persönlicher Masseur bis dorthin in die Pampa fahren, um ihm weiterhin jeden zweiten Tag eine viertelstündige Nackenmassage zu verabreichen? Und überhaupt: Sich jeden Abend durch den Stoßverkehr quer durch die Stadt bis an die Goldküste quälen? Und wirklich: Wo sollte man da anständig zu Mittag essen? Vielleicht bei McDonald’s? Schon beim Gedanken schüttelte es Kuster kräftig durch.
    Da musste gehandelt werden, aber sofort. »Keine Anrufe, nicht einmal von Wladimir«, sagte Kuster kurz angebunden zu seiner Sekretärin, und dann setzte er sich an seinen Computer. »Betreff: Fusion«, legte er los, »lieber Franz«, ist doch gut, wenn man mit dem CEO seit dem letzten Ausflug zum Schlittenhunderennen in Alaska per Du ist, dachte Kuster wieder mal, »gratuliere zu diesem starken und richtigen Entscheid.« Kuster überlegte, ob er noch mehr Honig tröpfeln lassen sollte, aber dann entschied er sich: Prioritäten setzen, und fuhr fort: »Darf davon ausgehen, dass mein persönliches Büro von diesem Entscheid nicht tangiert wird, Du weißt, Kundenempfang, präsentieren, Cachet. Mal wieder auf eine Cohiba? Gruß, Philipp.«
    Kuster setzte noch bei cc »alle.Vorstand« ein, sicher ist sicher, dachte er und drückte auf die Send-Taste. So macht man das, sagte sich Kuster, knapp, militärisch, so mochte es Franz.
    Fünf Minuten später bimmelte sein Mail-Eingang: »Lieber Philipp, Dein Büro wird nicht tangiert. Du schon, denn Du wirst – nur vorläufig – ins Backoffice versetzt. Genaue Koordinaten Deines neuen Arbeitsplatzes in Oerlikon folgen. Im Moment keine Zeit für eine Cohiba. Gruß, Franz.«
Vier
    Walter Meier wurde den dumpfen Verdacht nicht los, dass er auf ein Abstellgleis eingebogen war. Okay, beim IPO war einiges schiefgelaufen, aber eigentlich nicht seine Schuld, dass die Aktie schon am Eröffnungstag in den Keller gerauscht war, kann ja mal passieren. War auch nicht seine Schuld, dass die Private Banker diesen Schrott einigen guten Kunden ins Portefeuille geschummelt hatten, als Geheimtipp, etwas risikoreich, aber eigentlich ein todsicherer Winner. Okay, das hatten einige Kunden, die sich blöderweise auch noch regelmäßig für ihre Performance interessierten, überhaupt nicht komisch gefunden.
    Wie auch immer, zwei Tage später war Walter Meier zum Head Restrukturierungen ernannt worden. »Super Challenge«, hatte ihm GL-Mitglied Burger noch gönnerhaft Puderzucker hinten reingeblasen, »Riesenpotenzial, wird ein Profit-Center, wie gemacht für einen Mann mit deiner Erfahrung. Wir haben auch ein A-Team für dich zusammengestellt.«
    Verarschen kann ich mich selber, hatte Meier bitter gedacht, als er die Mitglieder seines A-Teams begutachtete. Drei ausgebrannte Loser, dazu lediglich Zugriff auf den Sekretärinnen-Pool, kein Spesenkonto – und am schlimmsten: Es gab gar nichts zu restrukturieren. Keinen Fall, keine notleidende Firma, einfach nichts. Bis einer der drei Loser dann die Schreinerei Rüdisühli in Pfäffikon anschleppte. Drei-Mann-Betrieb, Mann schreinert, Frau besorgt das Büro, ein Lehrling. Notleidender Geschäftskredit, miese Performance, eigentlich ein klarer Fall: Stecker rausziehen. Aber aus purer Verzweiflung warf sich Meier höchstpersönlich auf die Schreinerei Rüdisühli. Da konnten die drei Loser wenigstens mal was lernen. Zweimal wöchentlich Besuche in Pfäffikon, Meier lehrte Frau Rüdisühli, wie man eine Standardkostenrechnung einführt, brachte ihr die professionelle Gestaltung der Debitorenbuchhaltung bei, und bald waren beide Rüdisühlis völlig damit ausgelastet, Meier wöchentlich eine Zwischenbilanz und Erfolgsrechnung samt Kapitalflussrechnung zu erstellen, die Kurz- und Mittelfristplanung zu updaten und einen kurzen, schriftlichen Geschäftsbericht zu verfassen.
    Zudem hatte Meier dafür
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