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Banditenliebe

Banditenliebe

Titel: Banditenliebe
Autoren: Massimo Carlotto
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hochseetaugliche Boot los, das ihm für den Schmuggel diente, und fuhr los. Er wollte sich in irgendeiner dalmatischen Bucht verkriechen und dort seine Abrechnung mit der Wirklichkeit machen. Danach würde er zurückkommen und den Dingen auf den Grund gehen.
    »Ich habe Hunger«, gab der Dicke bekannt. »Lasst uns Fisch essen gehen.«
    »Sollen wir nicht besser nach Hause fahren? Dann können wir uns in einer Stunde einen Teller Nudeln machen.«
    Max verneinte mit dem Zeigefinger. »Jeder von uns hat seine Methode, um die Spannung loszuwerden«, erklärte er. »Beniamino hat sein Boot, du Blues und Calvados und ich das Essen. Ich bin ein fetter Vielfraß und will mir den Bauch so vollschlagen, wie es die Trauer verlangt und der Stress, den diese ganze Sache mir macht …«
    Ich hob resigniert die Hände. »Gut. Aber du weißt schon, dass du unerträglich bist, wenn du diesen Ton anschlägst?«
    Er lächelte listig. »Stell dir vor, das hat sich mit dem Alter gebessert. Du hättest mich mal hören sollen, als ich noch ein schlanker junger Studentenführer war.«
    Aperitif, Antipasti, Pasta, Hauptgericht, Beilagen, Dessert, Kaffee. Erst beim Grappa beschloss Max, wieder auf die Sache zu sprechen zu kommen, die Sylvie zum Opfer einer Vendetta gemacht hatte.
    »Es war ein Fehler, den Typen zu begraben, ohne genau zu wissen, wer er war«, meinte er.
    »Der alte Rossini hat zu früh die Geduld verloren«, entgegnete ich. »Abgesehen davon, der Typ hat uns benutzen wollen, und am Ende hätte er uns reingelegt.«
    »Hast du eine Idee, wie wir an den ganzen Schlamassel herangehen sollen?«
    »Ich hab darüber nachgedacht«, gab ich zu. »Und ich frage mich: Wie sind wir da reingeraten? Warum hat er unsere Namen ins Spiel gebracht?«
    »Deinen Namen«, korrigierte der Dicke. »Ich weiß noch genau, wie er in den Winkel kam und nach dir fragte. ›Ich suche den Alligator‹, sagte er, ganz genau so.«

Donnerstag, 1. April 2004
    Max hatte recht. Der Typ hatte nach dem Alligator gefragt. So hieß ich seit langem, seit der Uni, als ich in einer Band namens Old Red Alligators sang. Ich war im Gefängnis gelandet, die Gruppe hatte sich aufgelöst, ich hatte die Stimme verloren, aber der Name war an mir hängengeblieben, und den Blues gab es ja trotz allem weiterhin.
    Wenn ich daran doch einmal zweifelte, rief ich meinen Lieblings-Plattenhändler an, Edoardo »Catfish« Fassio, der mir dann zur Beruhigung neue Sampler beschaffte, darunter auch einheimische, und »ein paar Klassiker als Gegenmittel«.
    Es war der Tag der Aprilscherze, und schon seit dem Morgen hütete ich mich vor Max La Memorias Dummheiten, denn er schickte einen gern in den April. Ich mochte das nicht, im Gegenteil, es beleidigte mich, ausgerechnet an dem dafür vorgesehenen Tag Opfer irgendwelcher Scherze zu werden; das machte mich ganz nervös.
    Das schaffte dann der Typ, der sich an meinen Tisch setzte. Mir sprang sofort der dicke Ring an seinem linken Ringfinger ins Auge. Auf der Siegelfläche trug er ein Muster, das auf den ersten Blick an ein Kreuz erinnern mochte. Er war um die fünfundvierzig, sein Gesicht war schmal, auch wenn er schon länger keinen Sport mehr zu treiben schien. Schwarzes Haar bis zum Kragen, dunkler Anzug, italienische Markenware, französisches Hemd.
    »Du bist also der Alligator.« Sein Italienisch war perfekt, verriet aber dennoch den Ausländer. Ein rascher Blick auf die Schuhe zeigte mir, dass ich mit der Einschätzung richtiglag. Trotzdem konnte ich den Akzent nicht erkennen.
    »Hast du nicht gehört?«, fragte er anmaßend.
    Ich hob mein Glas. »Das hier ist ein Alligator«, erklärte ich. »Sieben Teile Calvados, drei Teile Drambuie, reichlich gecrushtes Eis und dann noch eine Scheibe grüner Apfel, die man hinterher kaut, um sich über das leere Glas zu trösten. Eine Kreation von meinem Freund Daniele Argiolas, dem Wirt vom Libarium in Cagliari.«
    Er lächelte herablassend. »Fertig mit dem Gequatsche?«
    »Ich hab noch nicht mal angefangen«, entgegnete ich. Der Typ war nicht irgendein Angeber, aber was er war, stand leider nicht in seinem Gesicht geschrieben. Ein Bulle, ein Mafioso, ein Söldner oder ein Angehöriger des Geheimdienstes, schwer zu sagen. Ich beschloss, mich weiter dumm zu stellen. Das gelang mir an dem Tag besonders gut.
    »Ab heute arbeitest du für mich.«
    »Na, das ist doch mal eine gute Nachricht«, prustete ich. »Ich frag mich schon die ganze Zeit, wann endlich der Märchenprinz kommt.«
    »Brauchst du
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