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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat
Autoren: Anna Degen
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Kostner zugegeben.
    Claudia Jung fragte scheinbar naiv: »Aber ich verstehe das noch nicht ganz. Hatten Sie denn keine Angst, dass Sie dann ganz mit Blut bespritzt würden? Wie wollten Sie denn danach nach Hause kommen?«
    Rita Gerstner bedachte sie nur mit einem herablassenden Seitenblick. »Das habe ich natürlich bedacht. Eine gute Vorplanung ist der wichtigste Weg zum Erfolg einer Aktion, wie Onkel Wilhelm immer sagte. Sie haben doch den Regenmantel gesehen, den ich anhatte. Den hatte ich mir extra besorgt. Der schützt einen von Kopf bis Fuß. Und da es zu regnen begonnen hatte, hat er sich dann ja auch wettermäßig bewährt, könnte man sagen.«
    Sie kicherte zynisch. »Und mein Gesicht hatte ich mit einer Maske – einer schwarzen Maske – bedeckt.« Sie hielt die Hände vors Gesicht und blinzelte zwischen den Fingern hindurch. »Das muss ganz schön gruselig ausgesehen haben, denn als der junge Mann herankam und ich meine Stirnlampe eingeschaltet habe, ist er so erschrocken, dass er nicht einmal mehr seine Pistole heben konnte.«
    Sie kicherte erneut, diesmal zufrieden.
    Â»Das war also Charly Baumanns schimmernder Geist!«, murmelte Claudia Jung und machte sich eine Notiz.
    Werner fragte: »Martin Kostner hatte eine Pistole dabei? Wir haben keine bei der Leiche gefunden.«
    Â»Die habe ich natürlich mitgenommen. Wer weiß, wer die aufgehoben hätte und welchen Unsinn er damit hätte machen können. Auf solche Kleinigkeiten muss man achten.«
    Â»Aber die viertausend Euro, die Herr Kostner bei sich trug, haben Sie nicht mitgenommen?«
    Jetzt war Rita Gerstner aufrichtig empört. »Also hören Sie mal, Herr Kommissar, was denken Sie denn von mir? Ich bin doch keine Diebin!«
    Â»Aber eine Versagerin sind Sie!«, warf Werner mit kalkuliert tiefgekühlter Stimme hin. »Sie haben ja den Falschen umgebracht!«
    Â»Das war jetzt aber grausam, Herr Kommissar.« Rita Gerstner machte ein Gesicht wie ein gekränktes Kind. »Man kann sich doch auch einmal irren! Haben Sie denn noch nie einen Fehler gemacht? Aber mir ist einfach noch immer nicht klar, wie das passieren konnte. Tagelang habe ich das Haus und die Wohnung von Baumann beobachtet, und immer ging dieser … dieser Martin Kostner, wie Sie sagen, dort aus und ein. Er hatte einen Wohnungs- und einen Haustürschlüssel. Wie hätte ich annehmen können, dass er nicht der Wohnungsinhaber ist?« Sie machte eine resignierte Handbewegung. »Na ja, wo gehobelt wird, fallen eben auch Späne.«
    Â»Späne?«, presste Werner zwischen den Zähnen hervor. »Ein Menschenleben Späne? In was für einer Welt leben Sie denn eigentlich?«
    Â»In einer Welt voller Ungerechtigkeiten«, rief Rita Gerstner mit großer Geste, die Augen voller Tränen. »Und ich war es, die der Schale der Gerechtigkeit einen kleinen Tropfen hinzugefügt hat.«
    Eine halbe Stunde später hatte Rita Gerstner ausführlich die Geschichte ihres Vaters erzählt. Sie wirkte erschöpft und aufgekratzt zugleich, müde und manisch. Als Werner sie erneut nach dem Motiv für ihre Tat fragte, wurde ihre Stimme schrill und schneidend.
    Â»Warum? Sie fragen mich, warum? Dieses fiese Schwein von einem Verräter hat uns alle auf dem Gewissen, mich, meinen Vater, meine Mutter, Onkel Wilhelm, meine Schwester und deren Mutter, die dumme Kuh. Wenn die sich damals diesem Kromm nicht an den Hals geschmissen hätte, wäre alles anders gekommen. Aber so sind wir alle kaputtgegangen.«
    Als sie wieder zu Atem gekommen war, fügte sie leise hinzu: »Was hätte aus mir werden können, ach, was hätte aus mir werden können.« Sie blinzelte. Plötzlich umklammerte sie die Tischkante und schrie: »Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn.«
    Einer ihrer lackierten Nägel brach ab und schlidderte bis in die Mitte des Tischs, ein kleiner blutroter Fleck.
    Eine Weile war es ganz still im Raum.
    Dann begann Rita Gerstner, wieder zu sprechen, mit schmalen Augen und verzerrtem Mund: »Dafür, für die Zerstörung von sechs Menschenleben, hat er in der DDR eine Belobigung und zweihundert Mark bekommen. Für zweihundert Mark hat diese fette Ratte seinen besten Freund verraten, für zweihundert Mark!! Und nach der Wende? Ist er da vielleicht bestraft worden? In der Bundesrepublik, dem hochgelobten Rechtsstaat, hat er Bewährung
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