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Bamberger Verrat

Bamberger Verrat

Titel: Bamberger Verrat
Autoren: Anna Degen
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eine rührend altmodische Geste.
    Â»Erinnern Sie sich an mich? Sie waren einmal bei mir, um meinen Keller aufzumessen.«
    An den Keller, den sie auftragsgemäß für das Landesamt für Denkmalpflege erfasst hatte, erinnerte sich Hanna sofort: ein außergewöhnlich schönes Exemplar mit sauber gearbeiteten Quadern und romanischen Türbögen.
    Â»Aber natürlich. Herr von Teebaum! Das schöne Antiquitätengeschäft in der Karolinenstraße. Wie geht es Ihnen?«
    Sie reichte ihm die Hand, die er mit einer leichten Verbeugung an die Lippen führte. Hanna genoss es, wenn ihr die Hand geküsst wurde, auch wenn sie immer ein wenig verlegen registrierte, dass sie ihre Hand nicht rechtzeitig und elegant genug gedreht hatte – so ein Handkuss duftete nach alten Rosen, er zauberte einen kleinen hellen Fleck in den trüben Tag. Hanna lächelte, das erste Mal seit vielen Stunden.
    Â»Haben Sie einen Augenblick Zeit für mich, Frau Dr.   Tal?«, fragte Herr von Teebaum.
    Â»Aber gern. Worum geht es denn?«
    Â»Ich habe Sie gestern mit Conte Ricardi auf der Unteren Brücke gesehen.«
    Conte? Conte Ricardi? Bisher hatte Hanna nichts von einem Grafentitel Paolos gewusst.
    Â»Sind Sie mit Conte Ricardi befreundet?«
    Hanna zögerte. Wie sollte sie diese Frage beantworten?
    Â»Wir waren einmal befreundet, aber wir haben uns längere Zeit nicht gesehen«, sagte sie ausweichend.
    Â»Es ist nämlich so.« Herr von Teebaum sah sie prüfend an. »Vorgestern war Conte Ricardi bei mir und bot mir eine Reihe von Antiquitäten aus seinem Familienbesitz zum Kauf an. Es waren sehr schöne Stücke darunter, die ich gerne übernommen hätte. Aber um einen entsprechenden Vorvertrag abschließen zu können – ich muss mir die Sachen erst noch in Venedig ansehen; bisher kenne ich sie ja nur von Fotos –, also für so einen Vertrag benötigt Herr Ricardi einen deutschen Bürgen, einen entsprechend finanzkräftigen deutschen Bürgen selbstverständlich. Und da hat er mir Ihren Vater genannt.«
    Â»Meinen Vater?«, stammelte Hanna fassungslos. Paolo, du Scheißkerl!
    Â»Wir waren eigentlich heute Nachmittag verabredet, und er wollte die entsprechenden Unterlagen mitbringen. Ich hatte alles vorbereitet, aber er ist nicht erschienen, und ich habe auch nichts von ihm gehört. Wissen Sie vielleicht, wie ich ihn erreichen kann?«
    Hanna hatte das Gefühl, als drehe sich eine kalte Faust langsam in ihrem Magen herum. Sie starrte Herrn von Teebaum an und erwiderte tonlos: »Nein, tut mir leid, das weiß ich nicht.«
    Sie machte ein paar Schritte, drehte sich dann zu Herrn von Teebaum um, der ihr erstaunt nachblickte, und fügte hinzu: »Mein Vater ist übrigens seit fast sechs Jahren tot. Tut mir leid.«
    Sie bemerkte nicht, dass sie Herrn von Teebaum grußlos stehen ließ.
    Â»Conte« Ricardi! So ein Mistkerl, so ein riesengroßes Arschloch, das war es also gewesen, weshalb er sie besucht hatte! »Komm mit mir nach Venedig, in richtiges Palazzo«! Vollidiot, hinterhältiger, elender Betrüger … Ihr gingen allmählich die Schimpfwörter aus.
    Sie trat aus den Arkaden des Leisthauses auf den Vorplatz zur Unteren Brücke, vor sich das schöne, zerstörte Bronzegesicht von Avramidis. Eine Taube saß in der leeren linken Augenhöhle und putzte sich unter dem Flügel. Von der Regnitz wehte der Geruch nach nebligem Fluss herüber, ein Geruch, der ihre Wut dämpfte, sie stiller werden ließ, bis nur noch Traurigkeit übrig blieb. Eine Traurigkeit, die ihr erzählte, dass ihre Jugend vorbei war und dass ihr nicht mehr alle Wege offenstanden.
    Ihr Blick glitt über das abendliche Wasser, an den hübschen Häusern am Leinritt entlang, und endete am Gefängnis, das dort barock, breit und schwer lagerte. Sie war so abgrundtief müde, dass ihr die paar Schritte bis nach Hause wie eine Ewigkeit vorkamen, wie ein fremder langer Weg.
    Als sie ihr Hoftor aufschloss, wünschte sie sich weit weg, in ein Land voller Sonne. In ein Land ohne Männer. Und ohne Kinder. Ein Land, in dem sie nach Hause kommen und alle viere von sich strecken konnte. Aber hinter ihrer Haustür warteten ja Tanja und Will auf sie. Ohne Kinder? Nein, diesen Gedanken nahm sie sofort zurück; Will war ein nettes Kind, und sie war bloß müde.
    Tanja hatte aufgeräumt; das Wohnzimmer
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