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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall
Autoren: Mary Nichols
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Gefangenen. Von mir wollte er wissen, warum ich als einfacher Soldat gedient hatte, da ich doch offensichtlich ein Gentleman war. Ich teilte ihm den Grund dafür mit, und das schien ihn sehr zu amüsieren …”
    “Nun, darauf halte ich jede Wette”, warf Ralph zornig ein.
    “Dann erklärte er mir, ich könne meine Entlassung dadurch bewirken, dass ich mich an dem Schmuggel von Waren nach England beteiligte”, fuhr Freddie fort, ohne auf Ralphs Bemerkung einzugehen. “In Ordnung, sagte ich. Geschmuggelt wird an dieser Küste schon seit Jahrhunderten, und niemand findet etwas dabei.”
    “Du hast also eingewilligt?”
    “Hättest du es nicht getan? Ich sollte nur wenige Meilen von meiner Heimat entfernt auf englischem Boden abgesetzt werden und hatte nichts weiter zu tun, als ein paar Diamanten mitzunehmen. Sir Arthur setzte mir auseinander, dass es den Angestellten der Ostindischen Kompanie nicht gestattet sei, ihr in Indien erworbenes Vermögen nach Europa zu bringen, sodass er dafür den umständlichen Weg über die Türkei und Frankreich nehmen müsse. Den größten Teil seines Besitzes habe er deshalb in wertvolle Steine eingetauscht und nach Paris geschickt. Ich solle nun den letzten Teil davon nach England schaffen. Natürlich müsse ich auch Wein und Branntwein mitnehmen als Schmiergeld für die Einheimischen, die ja helfen müssten, das Boot an Land zu bringen. Sein Schwager Gaston sei bereits dort, um die notwendigen Hilfskräfte zu besorgen.”
    “Und das war alles? Du solltest nicht für ihn spionieren?”
    “Davon hat er kein Wort gesagt, und ich hätte es auch nicht getan.”
    “Aber du warst bereit, mich umzubringen?”
    “Ja, ja, das habe ich gesagt. Ich hätte es allerdings um nichts in der Welt in die Tat umsetzen können. Seit ich wieder hier bin, hätte ich schon eine Menge Gelegenheiten dafür gehabt. Doch ich musste jedes Mal daran denken, was wir früher für gute Freunde gewesen waren …”
    “Nun, ganz so gute wohl doch nicht”, unterbrach ihn Ralph, “wenn du mich zum Duell fordern konntest wegen eines kleinen Liebchens, das keinem etwas bedeutete.”
    “Ich war ein unwissender Narr”, keuchte Freddie, denn er hatte Mühe, mit dem Freund Schritt zu halten. “Und du hast mich so wütend gemacht mit deinem Hochmut. Ich kam mir so unbedeutend vor …”
    “Das tut mir leid, denn es war keineswegs meine Absicht gewesen. Ich war einfach älter und dementsprechend erfahrener, größer und stärker als du.”
    “Oh ja, das warst du zweifellos. Ich hätte dich weder im Ringkampf noch mit dem Degen besiegen können. Nur mit den Pistolen meines Vaters hatte ich eine Chance.”
    “Dann hättest du mich also doch getötet?”
    “Hättest du mich denn getötet?”
    “Nein, wie hätte ich das tun können? Du warst doch mein Freund.”
    “Nun, dann hast du die Antwort auf deine Frage. Ich hatte Lydia gesagt, sie solle sich nicht einmischen, sondern ins Bett gehen und niemandem etwas sagen. Aber das törichte Kind versuchte dennoch, mir nachzuschleichen und unser Vorhaben zu vereiteln.”
    “Lydia”, sagte Ralph und beschwor dabei ihr Bild herauf, als er sie das erste Mal auf der Waldlichtung getroffen hatte. So begehrenswert – und so zornig. Er war auch wütend gewesen – und obendrein dumm, und er wünschte, er könnte diese Erinnerung auslöschen. Doch sie verfolgte ihn beharrlich. “Sie wollte immer an unseren Spielen teilnehmen”, stellte er plötzlich lachend fest, obwohl es ein wenig gezwungen klang. “Und sie will das auch heute noch.”
    “Sie in diese Angelegenheit zu verwickeln, war das Letzte, was ich gewünscht habe.” Freddie schüttelte resigniert den Kopf. “Aber sie war eben auf einmal da, draußen am Strand, und beobachtete uns. Und sie hatte Gastons Jacke gefunden und das Päckchen herausgenommen, das für die Bezahlung der einheimischen Helfer gedacht war.”
    “Was ist denn mit Gaston geschehen?”
    “Ich weiß nicht. Möglicherweise ist er ertrunken. Du weißt ja, wie heimtückisch das Moor ist. Man kann sehr leicht in ein Wasserloch fallen. Vielleicht hat er den Rock bei dem Versuch, sich zu retten, abgeworfen. Dann hat ihn einer der Bäche zum Strand getragen, und Lydia hat ihn dort entdeckt. Aber das ist auch gleichgültig. Auf jeden Fall ist das Päckchen wieder bei seinem Eigentümer – zusammen mit Lydia.”
    “Wenn er ihr auch nur ein Haar gekrümmt hat …” zischte Ralph wütend und beschleunigte seine Schritte noch mehr. “Sie will ihn
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