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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall
Autoren: Mary Nichols
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deshalb so bedacht darauf gewesen, seine Pläne zu durchkreuzen?
    “Lydia, dachtest du”, vollendete Freddie spöttisch, während er zugleich mit seiner Waffe auf Ralphs Brust zielte. “Sie sieht gut aus in meinen Sachen, nicht wahr?”
    “Wie lange bist du denn schon wieder zurück?”
    “Schluss mit dem Gequatsche”, stieß Joe mühsam hervor, da Robert Dent auf seiner Brust kniete. “Das ist jetzt deine Chance, Junge. Erschieß den Teufel.”
    Ratlos blickte Freddie von Ralph zu Joe und von dort wieder zu Ralph. Die Waffe in seiner Hand zitterte, doch das war kein Grund für Ralph, sorglos zu werden. Schließlich konnte eine Pistole in der Hand eines angstschlotternden Menschen nicht weniger tödlich sein als in der eines kaltblütigen Schützen. Deshalb blieb er weiter auf der Hut. “Wo ist Lydia?”, fragte er, um Zeit zu gewinnen.
    “Bei ihrem Ehemann”, erwiderte Joe und begleitete seine Worte mit einem meckernden Lachen.
    “Bei ihrem Ehemann?” wiederholte Ralph stirnrunzelnd und wandte seine Aufmerksamkeit jetzt dem anderen zu.
    “So ist es. Klug gemacht, nicht wahr? Eine Frau kann gegen ihren Ehemann kein Zeugnis ablegen. Sie hat geschworen, ihn zu lieben, zu ehren und ihm zu gehorchen. Der Diener holte gerade den Pastor, als wir aufbrachen. Zu schade, dass wir die Feier verpasst haben und …” Was Joe sonst noch sagen wollte, blieb im Dunkel, denn Robert Dent hatte ihn mit einem gezielten Schlag ans Kinn am weiteren Reden gehindert und war nun damit beschäftigt, dem Bewusstlosen Hände und Füße mit einem dicken Hanfstrick zu fesseln.
    “Ist das wahr, Freddie? Hast du wirklich deine Schwester für deine kindischen Rachegelüste verkauft? Oh, ich könnte dich erwürgen …” Ralph ging auf Freddie zu, der die Pistole zögernd hatte sinken lassen.
    Aber Robert Dent trat dazwischen. “Haltet ein! Er gehört mir.”
    “Nein, nein, seine Verhaftung wäre Mrs Fostyns Tod. Die arme Frau hatte schon genug Kummer zu ertragen, und Lydia würde mir nie und nimmer verzeihen – nicht zum zweiten Mal.” Unerschrocken streckte Ralph die Hand aus. “Freddie, wenn du deine Mutter und deine Geschwister liebst, dann gib mir deine Pistole. Ich versichere dir, dass es nicht zu deinem Nachteil sein wird.”
    Verzweifelt sah sich Freddie um. Joe lag gefesselt und bewusstlos am Boden. Wer weiß, wie viele Männer noch im Gebüsch lauerten? Im weiten Bogen warf er seine Waffe auf die grasbewachsene Lichtung. “Na, dann los, töte mich!”, schrie er. “Du hättest es schon vor zehn Jahren tun sollen.”
    “Nein, ich konnte es damals nicht und kann es heute ebenso wenig.”
    “Ihr wollt ihn doch nicht wirklich laufen lassen?”, fragte Robert Dent, während er die Pistole aufhob.
    “Keineswegs. Er soll uns nämlich zu Lydia führen. Nicht wahr, das wirst du doch tun, Freddie?” Ralph bemühte sich, ruhig zu erscheinen, obwohl er im Innern vor Ärger und Ungeduld zitterte. Würde er noch rechtzeitig kommen, um die Trauung zu verhindern? Und wenn nicht, was hatte er dann noch für Möglichkeiten? “Du wirst mir jetzt den Weg zu dem verdammten Verräter zeigen”, fuhr er fort. “Und dabei wirst du mir alles sagen, was du weißt, auch die kleinste Kleinigkeit. Hast du mich verstanden?”
    Freddie zuckte unschlüssig die Schultern, doch Ralph stieß ihn unerbittlich vorwärts.
    Wie lange sitzen wir eigentlich schon hier, fragte sich Lydia verzweifelt. Sir Arthur hatte die ganze Zeit seine Augen, die pechschwarzen Korinthen ähnelten, nicht von ihr abgewandt und lächelte dabei still vor sich hin. Anscheinend war er nicht ganz bei Verstand. Als sie eingewandt hatte, sie könne doch unmöglich in Männerkleidern heiraten, hatte er den Comte, der von seinem ersten Auftrag zurückgekehrt war, befohlen, seine Schwester, Mrs Sutton, zu wecken, damit sie auf dem Dachboden ein Kleid ausfindig mache, das seiner Braut passen würde. Nun hoffte Lydia inständig, dass diese Suche lange dauern werde, sehr, sehr lange, denn sie musste unbedingt einen Fluchtweg aus diesem Zimmer und aus dem Hause finden, bevor das Kleid zutage gefördert und der Pastor eingetroffen war.
    Aber selbst wenn ihr das gelänge, würde es noch nicht das Ende aller Schwierigkeiten bedeuten. Noch immer war Freddie irgendwo da draußen im Wald, und Ralph würde irgendwann von seiner selbstlosen Hilfsaktion zugunsten ihrer Familie ahnungslos zurückkehren und vielleicht in sein Verderben laufen. Wenn sie doch nur mit Freddie reden und ihn davon
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