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Ballnacht in Colston Hall

Ballnacht in Colston Hall

Titel: Ballnacht in Colston Hall
Autoren: Mary Nichols
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überzeugen könnte, dass eine solche Tragödie unbedingt verhindert werden musste! Wäre sie jedoch gezwungen, Sir Arthur Thomas-Smith zu heiraten, um die beiden zu retten, so würde sie es ohne Widerrede tun.
    “Warum nur?” Unvermittelt wandte sie sich an den schweigsamen Hausherrn. “Warum habt Ihr Euch ausgerechnet mich und Freddie ausgesucht?”
    “Oh, ihr seid beide nur die Werkzeuge für meine Rache, Miss Fostyn.”
    “Rache? An wem?”
    “An Lord Latimer.”
    “Ihr meint den Earl of Blackwater?”
    “Ja. Aber als ich ihn in Indien kennenlernte, nannte er sich Lord Latimer. Er war damals noch ein rechter Grünschnabel, aber schlauer, als man dachte. Seinetwegen musste ich Indien Hals über Kopf verlassen. Ich verlor meine Stellung, das Vertrauen meiner Vorgesetzten, den größten Teil meines Vermögens, und auch meine Frau war von diesem Zeitpunkt an nicht mehr dieselbe …”
    “Aber er hat nie die geringste Andeutung gemacht, dass er Euch schon früher einmal begegnet ist”, warf Lydia ein. “Seid Ihr sicher, dass Ihr ihn nicht mit irgendjemandem verwechselt?”
    Sir Arthur lächelte hämisch. “Wie sollte ich ihn verwechseln? Ich hatte eine Vertrauensstellung, die mir alle Informationen zugänglich machte. Daher wusste ich, wer den Anlass für Gastons Verhaftung gegeben hatte und auch den Fingerzeig meinetwegen, obwohl keinerlei Beweise vorlagen. Nur der feine Herr selbst hatte keine Ahnung, wie viel mir bekannt war.”
    “Gaston?” wiederholte Lydia. “Diesen Namen habe ich schon des Öfteren gehört. Wer ist das?”
    “Der Bruder meiner verstorbenen Frau”, seufzte Sir Arthur. “Er ist ein aufrechter Franzose.”
    “Ein Spion?”
    “Das war er.”
    “So wart Ihr also auch ein Spion?”
    “Allerdings.”
    Langsam begann Lydia, die Zusammenhänge zu begreifen. “Und Freddie?”
    “Freddie ist ein törichter Junge, der nie erwachsen sein wird”, erwiderte der Hausherr. “Außerdem war er krank vor Heimweh. Wir hatten leichtes Spiel mit ihm.”
    “Und ich?”
    Er lachte. “Ihr seid die Sahne auf der Torte, meine Teuerste. Als meine Frau könnt Ihr nicht als Zeuge gegen mich auftreten. Aber Ihr würdet es auch gar nicht wollen, da Ihr wüsstet, dass Euer Bruder seinen und meinen Rachegelüsten Genüge getan hat. Ihr werdet meine Glaubwürdigkeit wiederherstellen, und wir werden eine große glückliche Familie sein.”
    Lydia schwieg. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass nichts auf der Welt sie dazu bringen könnte, ihn zu heiraten. Doch das wäre im Augenblick sehr unklug gewesen. Möglicherweise hätte er sie dann eingeschlossen oder vielleicht sogar gefesselt, und es musste ihr doch wenigstens ein Schimmer von Freiheit bleiben. Gefühle von Angst und Zorn erfassten ihr Herz, und es war schwer zu sagen, welches von beiden die Oberhand gewinnen würde. Noch nie hatte sie sich so verlassen gefühlt.
    “Werdet Ihr auch Euer Wort halten und Annabelle eine Mitgift aussetzen und Euch um Mama und John kümmern?” begann sie wieder.
    “Selbstverständlich. Und da es dann keinen Earl of Blackwater und auch keine gesetzlichen Erben mehr geben wird, werde ich Colston Hall kaufen. Wenn dann die Zeit erfüllt ist, wie es in der Bibel so schön heißt, werde ich der neue Gutsherr sein und Ihr die Herrin von Colston Hall.” Sein Lachen hatte einen Beiklang von Wahnsinn, und er schien tatsächlich davon auszugehen, dass sie alles ruhig hinnehmen würde. “Es wird dir gefallen, nicht wahr, meine kleine Taube? Es wird auch deine Rache sein. Ich weiß, dass du dich seit Langem danach sehnst.”
    “Gewiss”, bestätigte Lydia hastig, denn sie hörte Schritte auf der Treppe. Einen Augenblick später betrat Mrs Sutton mit einem roten Seidenkleid auf dem Arm den Raum.
    “Ach, da bist du ja, meine Liebe”, rief Sir Arthur. “Hast du etwas Verwendbares gefunden?”
    “Das schon, aber ich glaube nicht, dass es ihr passt.”
    “Dann wird es eben passend gemacht.”
    “Ich verstehe nicht, warum du sie nicht nach Hause schickst, so wie sie ist, diese Dirne …”
    “Sie wird in Kürze meine Frau sein, Martha, also sprich nicht von ihr in einer solch ordinären Weise. Nimm sie mit nach oben und hilf ihr beim Anziehen. Aber bleibe die ganze Zeit über in ihrer Nähe, hörst du! Wenn ich sie holen lasse, kommst du mit. Ich brauche dich als zweiten Zeugen.”
    Offensichtlich traut er mir doch nicht ganz, dachte Lydia, während Mrs Sutton sie unsanft aus dem Zimmer und dann die Treppe hinauf
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