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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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könnte ich zur Decke blicken und an Varna und das Schwarze Meer denken. Jetzt muß ich sein Gewicht nicht tragen, bin jedoch gezwungen, ihm ins Gesicht zu blicken. Dabei betrachte ich die kleinen, glänzenden Schweißperlen auf seiner Glatze, die – zu kleinen Rinnsalen vereint – an seinen Augenbrauen hängen bleiben.
    Er stöhnt. Nicht aus Lust, sondern weil er schon fast eine Stunde lang um eine Erektion ringt. »Du bist mir keine große Hilfe«, flüstert er mit rauher Stimme. »Du bist mir gar keine große Hilfe.«
    Ich entgegne nichts, weil es sonst noch eine Stunde gehen kann. Ich bewege mich bloß ein wenig, um ihm keinen Anlaß zum Nörgeln zu bieten. »So ist’s fein«, meint er, dankbar für die Illusion, die ich ihm verschaffe, während seine Hände zu meinen Brüsten hochklettern. Seine verschwitzten Handflächen gleiten über meine Brustwarzen. Er macht einen letzten verzweifelten Versuch, doch die Kräfte verlassen ihn, und er gibt schließlich auf. Kraftlos läßt er seine Hände auf die Matratze fallen und starrt reglos an die Zimmerdecke, wo feuchte Flecken Wolken formen. Rasch stehe ich auf, aus Angst, er könnte es sich anders überlegen und seine Bemühungen fortsetzen.
    » No problem . Viel Arbeit … viel müde …«, sage ich tröstend zu ihm. »Kommst du anderes Mal, machen wir besser.«
    Er blickt mich an, aber ich sehe nur seine Wimpern, die seine Augen wie vorspringende Balkone überschatten. »Richtig«, sagt er. »Und ich werde dich erst beim nächsten Mal bezahlen. Das fehlte noch, daß mir eine Bulgarin mein Geld aus der Tasche zieht.«
    Ich weiß nicht, ob ich schweigen oder losschimpfen soll, aber ich entscheide mich fürs Schweigen. Er will meinen Lohn als Schmerzensgeld einbehalten. Wenn ich loszetere, wird er mich wegen zwanzig Euro verprügeln. Ich tröste mich mit dem Gedanken, daß ihn Andreas, der Boss, unten an der Bar in Empfang nehmen wird. Der streicht das dicke Geld ein und wird ihn nicht entkommen lassen.
    »Andreas hat mich heute reingelegt«, meint er, als hätte er meine Gedanken erraten. »Du siehst nur aufreizend aus, im Bett bist du eine Niete.«
    Er geht, und ich weine dem verlorenen Zwanziger nach. Vom Tarif von hundertzwanzig behält Andreas hundert und läßt mir zwanzig. Und selbst davon zieht er mir wieder die Hälfte ab, für Kleider, Miete, Strom, Wasser …
    Ich ziehe mich eilig an, um zur Bar hinunterzugehen und meinen Verlust mit dem nächsten Kunden wieder wettzumachen. Doch als ich die Tür öffnen will, geht sie nach innen auf, und Andreas steht mit seinen beiden Schlägern an der Türschwelle.
    »Gottverdammte Scheiße, mit dir hat man nichts als Ärger.« Sein finsterer Blick heftet sich auf mich und straft seine sanfte Stimme Lügen. »Kaum bin ich zur Tür herein, rückt mir schon der Dicke auf die Pelle.«
    »Ich hab nix gemacht … Er kann nicht.«
    »Er muß nicht können. Du mußt können. Die illegal importierten Lämmer aus Bulgarien müssen schön zart geschmort sein, damit sich der Kunde nicht die Zähne ausbeißt.«
    Die beiden Schläger machen mit einem Lächeln auf den Lippen einen kleinen Schritt auf mich zu, und ich weiß, was mich erwartet. Ich blicke mich um. Aus dem Fenster kann ich nicht springen, denn mit zerschlagenen Gliedern bin ich weder ihnen noch mir selbst etwas nütze. An der Tür hat sich Andreas aufgebaut und versperrt mir den Weg. Auch die verbogenen Beine des Klapptisches bieten keinen Schutz. Es bleibt nurmehr das Bett, auf das ich springe. Ich rolle mich ein wie ein Embryo und biete ihnen meinen schutzlosen Rücken. Meinen Kopf habe ich ins Kissen vergraben, so daß ich nichts sehe, dafür höre ich ihr Lachen und spüre die Schläge, die auf mich niederprasseln. So entgehe ich zumindest ihren Tritten, denke ich befriedigt. Da packt mich eine Hand an den Haaren und reißt mir den Kopf hoch, während mich die nächste ohrfeigt. Dann packen mich vier Hände und werfen mich auf den Boden. Nun sind ihre Fußspitzen in Aktion, die mich wahllos in die Seite, den Rücken und gegen die Schienbeine treten. Nur mein Gesicht bleibt verschont, da ich ihnen nichts mehr bringe, wenn sie es entstellen.
    Wütend beiße ich mir auf die Lippen und schlucke das Blut hinunter. Ich weiß, daß sie mich nicht schlagen, weil ich etwas verbrochen habe. Sie haben nur nach einem Anlaß gesucht. Nun schlagen sie mich eben, weil ich die einzige bin, die noch keine Prügel einstecken mußte.
    Sie halten erschöpft inne. Ich liege
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