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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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für Zentimeter, nach oben, als hätte er es satt, immer nur die Schüssel zu betrachten – als wolle er zur Decke streben. Die Hände machen keine Anstalten mehr, dem Drang des Penis entgegenzutreten.
    »Hierher hast du dich verkrochen, du Arschloch. Theofanidis sucht dich. Mach schnell, er hat’s eilig.«
    Die linke Hand öffnet jäh den Hosenschlitz, während die rechte den Penis packt und versucht, zwei Bewegungen auf einmal auszuführen: den Penis nach unten zu drücken und in den Hosenschlitz hineinzuzwängen. Doch der Penis ist steif und zur Erektion entschlossen: Er zieht die Aufwärtsbewegung vor, und die Hände geraten in Panik. Die linke packt den Penis, während die rechte ihn durch den Hosenschlitz drängen will. Der Penis kann so viel Druck nicht mehr standhalten, er gibt auf und läßt sich, wenn auch unwillig, in den Hosenschlitz zwängen, während die linke Hand rasch den Reißverschluß hochzieht.
    Die Füße treten eilig, fast im Marschtempo, aus der Toilette und bewegen sich auf den mit Steigen beladenen Pritschenwagen zu.
    »Wo bleibst du denn so lange – ausgerechnet, wenn ich es eilig habe? Eigentlich müßte ich dir den Lohn streichen, du Wichser.«
    Die rechte Hand reckt sich nach vorne, die Handfläche öffnet sich. Bereit, die Geldscheine in Empfang zu nehmen.
    »Morgen brauche ich dich um sechs. Sieh zu, daß du nicht verschläfst und mich hängen läßt.«
    Die Geldscheine gleiten langsam nacheinander in die Handfläche. Der Daumen schnellt hoch und nieder wie eine Feder und fixiert jeden einzelnen Geldschein. Der Geldregen hält inne, die Handfläche schließt sich um die Gesamtsumme. Der linke Fuß schwenkt nach links, schreitet aus und wartet auf den Schritt des rechten. Die rechte Hand mit den Geldscheinen bewegt sich auf die Hosentasche zu.
    Plötzlich taucht ein neues Paar Füße aus dem Nichts auf und hält direkt vor dem anderen Paar. Die beiden Paar Hände und Füße stehen sich einen Augenblick lang reglos gegenüber. Dann verschwindet die neu hinzugekommene rechte Hand hinter dem Rücken. Als sie wieder auftaucht, blitzt ein Messer zwischen ihren Fingern auf.
    »O Mann, der zieht ein Messer!«
    »Tu deine Arbeit, uns geht das nichts an. So sind die eben. Die stechen wegen nichts und wieder nichts zu.«
    Die rechte Hand mit den Geldscheinen hält auf dem Weg zur Hosentasche inne. Die Handfläche krampft sich um das Geld, während die linke Hand schützend, mit der Handfläche nach außen, vor die Brust tritt.
    Die Füße weichen unmerklich einen Schritt zurück und sind bereit, sich zur Flucht zu wenden, als die Hand mit dem Messer eine gezielte, äußerst geübte Bewegung macht und sich dieses in den Bauch des anderen bohrt.
    »Der ersticht ihn, Mann!«
    »Steig in den Wagen, und misch dich nicht ein.«
    »Der ersticht ihn, weil er für dich die Steigen geschleppt hat.«
    »Dann finde ich eben einen anderen, der sie für noch weniger Geld schleppt. Und wenn sie den auch abschlachten, dann finde ich wieder einen, der es noch billiger macht. Niemand kann den Gesetzen der Wirtschaft entgehen.«
    Es folgt ein weiterer Messerstich. Die rechte Handfläche öffnet sich, die Geldscheine segeln träge zu Boden und bleiben auf einigen verfaulten Orangen liegen. Die Hand, die kein Messer hält, bückt sich und sammelt die Geldscheine ein. Die Füße machen kehrt und verlieren sich im Nichts, aus dem sie gekommen sind.
    Zuerst greift die rechte Hand zur rechten Wunde, dann die linke zur linken Wunde. Beide Handflächen drehen sich gleichzeitig und tiefrot verfärbt nach oben. Zwei Tropfen fallen von der linken Handfläche auf die dunkelroten Turnschuhe, die sie gierig aufsaugen. Dann schieben sich die offenen, ein wenig schräg gehaltenen Handflächen in den Vordergrund. Die Beine knicken ein, erst langsam und dann immer schneller, bis zum endgültigen Zusammenbruch. Sie berühren den Boden und strecken sich, während die beiden Hände zur Seite sinken, immer noch mit offenen und tiefroten Handflächen. Die rechte Fußspitze deutet hoch in den Himmel, während der linke Fuß im schrägen Winkel allmählich herabsinkt, bis er schließlich reglos innehält.

Sonja und Varja
    Er ist schätzungsweise fünfundsechzig, könnte aber auch jünger sein. Sein übergewichtiger Leib und die Glatze lassen ihn älter aussehen. Er liegt rücklings auf dem Bett, und ich sitze auf ihm. Das hat Vor- und Nachteile. Läge ich auf dem Bett, würden mich seine hundert Kilo fast erdrücken, aber immerhin
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