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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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nach – es bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als an der nationalen Feierlichkeit teilzunehmen. Ich lenke ein, vorwiegend, um Fanis nicht den Spaß zu verderben.
    In der Protesilaou-Straße ist alles noch ruhig. Nur ein paar Autohupen skandieren den Rhythmus. Zwischen der Ifikratous- bis hin zur Filolaou-Straße steigert sich das Hupkonzert kontinuierlich. Zugleich nimmt auch die Anzahl der Leute zu, die johlend Fahnen schwenken. Mit Mühe gelingt es uns, bis zum Pallas-Kino vorzudringen, wo die Fußgänger und Fahrzeuge zum Stillstand kommen.
    »Vorsicht, wir dürfen uns nicht verlieren!« ruft Adriani und klammert sich an meinen Arm. Fünf Meter weiter winkt uns Fanis zu.
    Einige junge Männer, welche die griechische Flagge wie einen Kaftan am Leib tragen, rufen im Vorübergehen: »Die Franzosen, die Franzosen, die verlieren ihre Hosen!« Einer klopft mir auf die Schulter. »Sieh mal einer an, sogar der Opa traut sich auf die Straße, um zu feiern! Bravo, bist noch gut beisammen, Opa!«
    Ein Mann meines Alters, der einmal noch vorn geschubst, dann wieder nach hinten gedrängt wird, bemerkt gerührt: »Ein geeintes Volk ist ein freies Volk, mein Herr. Ein geeintes Volk ist ein freies Volk.«
    Ich weiß nicht, ob es der Grieche in mir ist, der selbst nach einem gewonnenen Tavlispiel ausflippt, oder der Bulle, der sich an einer friedlichen Kundgebung begeistert – jedenfalls finde auch ich langsam Gefallen an der ganzen Sache.
    Mein Schicksal scheint es jedoch zu sein, daß in neun von zehn Fällen gerade dann, wenn ich Gefallen an etwas zu finden beginne, der Spaß auch schon zu Ende ist. Ich spüre, wie Adriani mich am Ärmel zupft.
    »Dein Handy klingelt.«
    Zum einen hatte mich Adrianis Beharrlichkeit dazu gebracht, mir ein Mobiltelefon zuzulegen, zum anderen die Beschwerden auf der Dienststelle und Gikas’ Geschimpfe, mit meinem Beeper bilde ich das Fossil der Abteilung. Ich kaufte mir eins, um meine Ruhe zu haben. Am Ende kaufe ich mir auch noch einen Hyundai, so wie jeder zweite Grieche, um mit meinem Mirafiori nicht mehr als Fossil der Abteilung dazustehen.
    Ich führe das Gerät ans Ohr, während ich mir das andere zuhalte, um überhaupt etwas zu verstehen. Vlassopoulos’ Stimme klingt, als spräche er aus dem Jenseits.
    »Herr Kommissar, Sie müssen sofort ins Olympiastadion. Es ist dringend!«
    »Wieso? Ist das Dach von Calatrava eingestürzt?«
    »Vielleicht, keine Ahnung. Ich weiß nur, daß es sich um eine Anweisung vom Chef handelt. Er ist auch schon unterwegs.«
    »Hol mich mit dem Streifenwagen ab. Ich warte an der Ecke Formionos- und Imittou-Straße, bei dem Verkehr komme ich sonst nie an.«
    Adriani lasse ich unter Fanis’ Obhut zurück. Die Strecke vom Pallas-Kino zur Ecke Formionos-Straße beträgt fünf Häuserblocks, aber ich brauche dafür eine dreiviertel Stunde. Der Streifenwagen erwartet mich bereits.
    »Wie kommst du denn so schnell hierher?« frage ich verwundert.
    »Ich hab einen Streifenwagen von der Verkehrspolizei in Kessariani angefordert.«
    Er grinst und erwartet vergeblich ein Lob für seinen Geistesblitz. Der Fahrer schlägt die Route nach Zografou ein, um auf den Kifissias-Boulevard zu gelangen und ab Maroussi die Spyros-Louis-Straße zu nehmen. Glücklicherweise kommen wir auf der ganzen Strecke zügig voran, und auf der Spyros-Louis-Straße herrscht das übliche Verkehrsaufkommen. So gelangen wir in einer Viertelstunde zum Olympiastadion.
    Am Eingang erwartet mich ein großgewachsener Fünfzigjähriger mit einem sonnengebräunten Gesicht. Er ist so aufgeregt, daß er auf uns zurennt und wie ein Hoteldiener den Wagenschlag aufreißt.
    »Ingenieur Kalavrytis.«
    »Kommissar Charitos. Sie haben uns verständigt?«
    »Ja. Kommen Sie, ich muß Ihnen etwas zeigen.«
    Er schreitet voran und führt mich zu den olympischen Wettkampfstätten. Im Dunkeln kann ich den Umriß des Stadions und darüber die Dachkonstruktion von Calatrava erkennen. Zu unserer Linken erstrecken sich ein paar provisorische, schießbudenartige Bauten.
    »Das sollen Kantinen werden«, erläutert Kalavrytis. Dann deutet er auf etwas, das wie eine riesige Trennwand aussieht. »Das ist die Wand der Nationen. Darauf werden Bilder projiziert, und es wird aussehen, als schwebe sie durch die Luft.«
    »Verschieben wir die Führung nicht lieber auf später?« meine ich.
    Sogleich kommt er zur Besinnung und unterbricht sein Fachsimpeln.
    »Sie haben recht. Hier, bitte sehr.«
    Vor mir liegt ein riesiges Bassin mit
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