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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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sicher, daß Sie kooperieren würden, daher haben wir ihn schon gestern eingeflogen, um Zeit zu gewinnen.« Dann klopft er Gikas auf die Schulter: »Thanks, Nick.«
    Einerseits tut mir Gikas leid, andererseits kann ich mich noch sehr gut daran erinnern, daß er nach einem sechsmonatigen Seminar beim FBI in den höchsten Tönen von dessen Systemen und Methoden geschwärmt hat. Jetzt steht er da wie ein begossener Pudel.
    »Was haben Sie bislang erreicht?« fragt Parker unbestimmt in die Runde.
    Gikas nickt mir aufmunternd zu.
    »Wir sind sicher, daß der Tote nicht auf der Baustelle gearbeitet hat. Keiner hat ihn erkannt. Von daher müssen wir jetzt herausfinden, wer er war, wo er wohnte und arbeitete, falls er Arbeit hatte. Und das kann dauern.« Und all das in einem Englisch, das mehr einem Kauderwelsch gleicht.
    »Das reicht aber nicht, und es ist auch nicht vorrangig«, meint Parker. »Uns interessiert nicht, wer er war. Was uns unmittelbar interessiert, ist, wer in Griechenland Kontakt zu AL - QAIDA hat und sich mit deren Inhalten identifiziert. Das hätte man mittlerweile schon feststellen müssen.« Danach wendet er sich zum ersten Mal mir zu: »Sie sind nicht schnell genug«, sagt er. »You are not fast enough.«
    »Nehmen Sie es sich nicht zu Herzen und machen Sie Ihre Arbeit«, schaltet sich Gikas ein. Nicht auf englisch, um mir Schützenhilfe zu geben, sondern auf griechisch, um mich zu trösten.
    Ich erhebe mich wortlos und verlasse das Büro. Wenn ich die anderen beiden gegrüßt und Parker übergangen hätte, wäre das ein Fauxpas gewesen. Da verabschiede ich mich lieber von niemandem.
    Meine beiden Assistenten, Vlassopoulos und Dermitsakis, sind in der Ausländerbehörde und versuchen, die Identität des Toten festzustellen. Eine Polizeibrigade durchkämmt die Stammplätze der illegalen Einwanderer in der irrationalen Hoffnung, doppeltes Glück zu haben – in dem Sinn, daß ihn einer erstens erkennt und es zweitens auch zugibt.
    Parkers Tadel steckt mir in den Knochen, und ich verlasse das Büro lieber, um mein Mütchen nicht an irgendeinem Unschuldigen zu kühlen. Ich fordere einen Streifenwagen an und fahre zum Olympiastadion. Vielleicht ist mir an dem Abend, als wir die Leiche fanden, irgend etwas entgangen. Selbst wenn der Typ eines natürlichen Todes gestorben ist, muß es jemandem gelungen sein, ihn durch die Sicherheitskontrollen zu schmuggeln und ihn vor dem Bassin einzugraben. Und derjenige, der ihn hereingeschmuggelt hat, muß zum akkreditierten Personal der Baustelle gehören.
    »Können Sie mir eine Liste der akkreditierten Fahrer der Baustelle geben?« frage ich Ingenieur Kalavrytis, der mich am ersten Abend empfangen hat und zu meinem Dauerbegleiter mutiert.
    »Aber sicher, doch was bringt das?«
    »Jemand hat den Toten auf die Baustelle gebracht. Wahrscheinlich ist dieser Jemand ein Fahrer. Er hat ihn auf den Lastwagen geladen und hier hereingebracht, weil er sicher war, daß ihn keiner kontrolliert. Und ich will alle Arbeiter sprechen, die um das Bassin herum beschäftigt sind, mit Ausnahme derer, die die Leiche gefunden haben. Die haben wir schon befragt.«
    »Da werden Sie einen Dolmetscher brauchen!« meint er lachend. »Das sind alles Albaner. Ich schicke Ihnen Sotiris, den Bauführer, der spricht Albanisch.«
    Er läßt mich in einem Bürocontainer Platz nehmen und bringt mir die Liste. Beim Durchblättern wird mir bewußt, daß ich eine heimliche Hoffnung hegte: nämlich, auf den Namen eines arabischen Fahrers zu stoßen. Doch ich werde enttäuscht, denn es gibt keinen einzigen. Alle Fahrer sind Griechen.
    Kurz darauf kommen die ersten Albaner mit Sotiris, dem noch sehr jungen Bauführer. Die Fotografie des Toten sagt ihnen nichts, und sie haben auch nichts Verdächtiges beobachtet. Die einzigen Fahrzeuge, die sich ihrer Baustelle genähert hatten, waren die Lieferwagen mit den Bäumchen und Betonmischer.
    Ein Albaner folgt auf den anderen, und Sotiris übersetzt jeweils ihre Aussagen. Doch etwas Neues bringe ich dadurch nicht in Erfahrung.
    »Kommen Sie aus Albanien?« frage ich ihn.
    »Nein, aus Larissa.«
    »Und wie haben Sie albanisch gelernt?«
    »Von einem Albaner! Ich habe Unterricht genommen.« Er merkt, wie verdattert ich ihn ansehe, und fährt lachend fort: »Ich habe den Sprachunterricht begonnen, als ich noch Student an der technischen Fachhochschule war, denn mir war klar, daß die Albaner mit den Olympiabauten betraut würden. Als ich mit der Ausbildung fertig war,
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