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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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hatte ich ein Diplom als Bauführer, und ich konnte Albanisch. Damit habe ich seit vier Jahren mein Glück gemacht. Das führe ich auch in meinem Lebenslauf an: Fremdsprachenkenntnisse: Englisch, Albanisch.«
    Als ich zwei Stunden später ganz sicher bin, daß nichts mehr herauszukriegen ist, läutet mein Handy, und Gikas ist dran.
    »Kommen Sie her, der Amerikaner will uns sprechen.«
    Der Streifenwagen ist weggefahren, und so bin ich gezwungen, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen. Bis zu Gikas’ Büro brauche ich eine dreiviertel Stunde. Der einzige Neue in der Runde ist ein weiterer Amerikaner, an die Fünfzig, mit Vollbart und T-Shirt, der einen Stuhl vom Konferenztisch herangeholt und sich neben Stavropoulos gesetzt hat. Ich nehme an, daß es sich um Garner handelt, den amerikanischen Gerichtsmediziner. Stavropoulos wirft mir einen zutiefst befriedigten Blick zu.
    Garner ergreift die Initiative.
    »Ich bin derselben Meinung wie mein Kollege«, sagt er auf englisch. »Dieser Mann ist an einem Herzinfarkt gestorben.«
    Drei Augenpaare richten sich gleichzeitig auf Parker, als hätten wir alle auf diesen Moment gewartet. Unsere Blicke und seine ausweglose Lage bringen den Amerikaner in Rage, und außer sich meint er zu Gikas: » This is foul play, Nikos. Mir wäre wohler, wenn wir es mit einem Selbstmordattentäter oder mit einer Enthauptung zu tun hätten. Weil es das Erwartbare ist. It’s standard terrorist procedure. Aber ein Terroropfer, das eines natürlichen Todes gestorben ist? Something big is going on. Da steckt eine große Sache dahinter.«
    »Wie groß auch immer sie sein mag, es gibt kein Verbrechen«, mische ich mich ein.
    Er dreht sich um und wirft mir einen Blick zu, der sagt, daß er gerade eben erst meine Anwesenheit bemerkt hat und sie ihm unerträglich ist.
    »So?« fragt er.
    » So , in Griechenland kann man kein Verbrechen untersuchen, wenn es keine Straftat gibt.«
    »Aber wir können die Sicherheitsmaßnahmen erhöhen.« Die Antwort richtet sich an Gikas, nicht an mich. »Es müssen weitere Kameras auf den Straßen installiert werden. Wie viele sind es bis jetzt?«
    »An die zweihundertfünfzig.«
    »Wir brauchen noch mehr. Ich möchte die Verantwortlichen für die Sicherheitssysteme in einer Viertelstunde sprechen. Fifteen minutes. «
    Eigentlich könnte ich jetzt gehen, da ich mit den Sicherheitssystemen nichts zu tun habe. Doch Gikas bedeutet mir zu bleiben. Stavropoulos und Garner verlassen das Büro. Die Sicherheitsexperten für die Olympischen Spiele treffen eine Stunde später ein, und bis sie sich entschieden haben, an welchen Punkten die Maßnahmen verstärkt werden müssen, ist es beinahe halb zwölf Uhr nachts.
    Ich hole den Mirafiori aus der Garage des Präsidiums und schlage den Nachhauseweg ein. Die Stadt liegt ruhig und verlassen da. Wären da nicht all die hell erleuchteten Fenster gewesen, man hätte meinen können, es sei Mariä Himmelfahrt im August, wenn Athen wie ausgestorben ist. Ab und zu fährt ein Bus oder huscht ein Taxi vorüber. Sobald ich in die Spyrou-Merkouri-Straße einbiege, dringt plötzlich lautes Geschrei aus den Fenstern. Zunächst klingt es unverständlich, beim dritten Mal höre ich das Wort »Tor« heraus.
    Bis ich beim Park angelangt bin, sind die Straßen mit Menschen überflutet, die schreiend Fahnen schwenken. Ein alter Mann, der neben mir einen alten Mercedes aus den siebziger Jahren fährt, steckt seinen Kopf aus dem Wagenfenster und brüllt:
    »Pfui, schämt euch! So viele Fahnen gab’s nicht einmal beim Abzug der Deutschen!«
    Der Mirafiori kommt nur im Schrittempo voran. Kurz vor der Eftychidou-Straße ist die Fahrbahn vollkommen verstopft, und ich bleibe zwischen rhythmisch hupenden Autos und Fahnen schwenkenden Griechen stecken, die jubilieren: »Dieses Mal, dieses Mal, holn wir den Pokal!«
    Ich weiß nicht, wie lange in diesem Lärm mein Handy geklingelt hat, aber schließlich höre ich es doch.
    »Papa, wo bist du gerade?« höre ich Katerinas Stimme am anderen Ende.
    »Ich stecke an der Ecke Spyrou-Merkouri- und Eftychidou-Straße fest, und voraussichtlich komme ich in den nächsten fünf Stunden nicht vom Fleck!«
    »Schön, dann kommen wir zu dir!«
    »Ja aber, wo bist du denn?« frage ich. Ich hatte gemeint, sie rufe mich aus Thessaloniki an.
    »In Athen. Heute morgen bin ich hergekommen. Ich konnte unmöglich das Halbfinale gegen Tschechien allein in Thessaloniki anschauen. Das hätte mein Herz nicht mitgemacht.«
    »Rührt
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