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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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und hinrichtet. Al Zarqawi ist ihr Anführer«, erläutert er mir.
    »Hätten Sie den doch erst später benachrichtigt, damit wir in Ruhe unsere Arbeit machen können«, sage ich und deute dabei auf Parker.
    »Ich verstehe Sie ja, aber wir haben eben unsere Anweisungen. Wenn es auch nur den geringsten Hinweis auf einen Terroranschlag gibt, müssen die Amerikaner augenblicklich verständigt werden.«
    Stavropoulos und Garner sind fertig und tauschen leise ihre Schlußfolgerungen aus. Ich warte, bis Stavropoulos frei ist, um ihm die ersten Fragen zu stellen, doch der Stationsvorsteher kommt mir zuvor.
    »Entschuldigen Sie, Herr Kommissar, aber dauert es noch lange?«
    »Wollen Sie den Betrieb gleich heute aufnehmen?«
    Er blickt mich gestreßt an.
    »Wissen Sie, wir hatten eine Probefahrt mit dem Verkehrsminister angesetzt. Er soll in einer Stunde mit den Journalisten hier sein.«
    »Dann tauschen Sie den Zug aus.«
    »Das geht nicht, die anderen sind noch nicht fahrbereit.«
    »Dann sagen Sie die Probefahrt ab.«
    »Machen Sie Witze?« ruft er erschrocken. »Die suchen doch nur nach einem Anlaß, um uns vorzuwerfen, daß wir unsere Termine nicht einhalten.«
    »Was soll ich da sagen? Vielleicht können Sie den Herrn Minister ja überreden, eine Probefahrt mit einer Leiche zu machen.«
    Er hält mich für übergeschnappt und läßt mich stehen. Stavropoulos hat seine Unterredung mit Garner beendet, und ich gehe auf ihn zu.
    »Gibt es eine erste Diagnose?«
    »Ja. Äußerlich zumindest gibt es keine Spuren von Gewaltanwendung. Er wurde nicht erschossen, nicht erstochen, nicht erwürgt und weist auch keine Verletzungen auf.«
    »Wie beim letzten Mal also. Auch er ist eines natürlichen Todes gestorben.«
    »So sieht es aus, aber ich kann Ihnen das erst nach der Obduktion bestätigen.«
    Parker unterhält sich augenscheinlich mit Garner über dasselbe Thema, denn er stürzt sich nach Beendigung des Gesprächs auf Gikas.
    »Können Sie sich erinnern, was ich gestern zu Ihnen gesagt habe, Nick?« sagt er auf englisch. »This is big.«
    »Er hat eine Liste zusammengestellt und möchte, daß wir mutmaßliche Islamisten festnehmen«, erklärt mir Gikas auf griechisch.
    »Soll er doch. Vielleicht können wir dann in Ruhe unsere Arbeit machen.«
    »Und was tue ich, wenn er welche nach Guantanamo schicken will?«
    Darauf weiß ich auch keine Antwort und blicke ihn wortlos an. Die Fotografen machen sich daran, die Leiche abzulichten, und die Spurensicherung beginnt mit der Untersuchung der Umgebung. Ich überlasse die Techniker ihrer Arbeit und steige aus dem Zug. Vlassopoulos hat die Person aufgetrieben, welche die Leiche entdeckt hat: ein Mann Mitte dreißig und Chef der Putzkolonne.
    »Eigentlich habe ich ihn gar nicht gefunden«, erklärt er. »Ich habe die Wagentüren geöffnet, damit der Reinigungstrupp sauber machen kann. Kurz darauf hörte ich Schreie. Eine Putzfrau hat ihn zuerst gesehen.«
    »Ist Ihnen, als Sie in den Waggon reingeblickt haben, denn kein Typ aufgefallen, der mit erhobener Hand da saß?«
    »Nein, ich bin in die Führerkabine gegangen, und der Tote saß ja ganz hinten im Wagen. Es war dunkel, kann gut sein, daß er mir deshalb nicht aufgefallen ist.«
    »Wieviel Zeit war vom Öffnen der Türen bis zum Eintreffen der Putzleute vergangen?«
    Er denkt nach. »Eine Viertelstunde zirka.«
    »Und war der Zug in dieser Zeit unbewacht?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Was war da zu befürchten? Daß man die Sitze oder die automatischen Türen klaut?«
    Vermutlich hatte er den Toten tatsächlich nicht gesehen, sondern er wurde höchstwahrscheinlich in dem Zeitraum, als die Türen offen und der Zug unbewacht war, hineingesetzt.
    Die Putzfrau steht noch immer unter Schock und ringt nach Worten. Sie war durch die vordere Tür des Waggons eingestiegen und sah, wie jemand ihr die Handfläche mit der Moutsa entgegenstreckte. Zunächst dachte sie an einen Scherzbold. Als ihr bewußt wurde, daß er splitternackt und tot war, fing sie zu schreien an und lief weg. Ihre Aussage bestärkt die Auffassung, daß man die Leiche in der unbewachten Viertelstunde hineingeschmuggelt haben muß.
    Vlassopoulos befragt das übrige Personal, doch es kommt nichts Wesentliches zutage. Alle sind der Meinung, daß man die Leiche von der Rückseite des Bahnhofs, der nachts verlassen daliegt, herbeigeschafft haben muß. Niemandem war ein Lastwagen aufgefallen, also mußte sie in einem PKW hergekarrt worden sein. Die Tatsache, daß an dieser
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