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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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hält. Da fängst du dir jede Menge Krankheiten ein.« Zu Irina gerichtet, die sich voller Angst an mich klammert, meint er: »Du zuerst.« Er hat einen fauligen Mundgeruch.
     
    »Sie haben ihn«, sage ich zu Varja, als ich nach Hause komme. »Du bist aus dem Schneider.«
    »Du auch.«
    »Andreas hat meinen Paß. Ich weiß aber nicht, wo er ihn aufbewahrt. Wer ihn findet, wird mein neuer Chef«, sage ich. Und lege mich schlafen.
     
    Ich verbringe zwei ruhige Tage, ohne aus dem Haus zu gehen. Niemand läutet an der Tür oder ruft an. Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder beunruhigt sein soll. Vielleicht hat Andreas meinen Paß so gut versteckt, daß keiner ihn findet. Mit solchen Überlegungen versuche ich mir Mut zu machen.
    Am dritten Morgen weckt mich heftiges Klopfen an der Tür. Auch Varja und Nina sind aus dem Schlaf gerissen worden und aus ihren Zimmern gestürzt. Erschrocken blicken wir uns an, während es immer noch klopft und jemand mit lauter Stimme ruft: »Aufmachen! Polizei!«
    Ich schicke die beiden in ihre Zimmer zurück und gehe an die Tür. Ich treffe auf zwei Bullen. Der eine ist dünn und trägt eine Brille. Der andere ist durchtrainiert, trägt kurzgeschorenes Haar und hat das Kommando.
    »Bist du Sonja?«
    »Jawohl«, antworte ich höflich. Ich überschlage schnell, wie viele Tage ich in der Zelle sitzen muß bis die Papiere für meine Ausweisung ausgestellt sind.
    »Zieh dich an und komm mit.«
    »Wohin?«
    »Nichts Besonderes!« beruhigt mich der Brillenträger. »Nur zu einer Befragung.«
    Der andere wirft ihm einen wütenden Blick zu, weil er mir erklärt hat, wohin die Reise geht. Dadurch hat er ihn um das Vergnügen gebracht, mich in den Streifenwagen zu stecken und mir genüßlich dabei zuzusehen, wie ich die ganze Fahrt über vor Furcht zittere.
    Ich schlüpfe schnell in Jeans und T-Shirt und ziehe meine Lederjacke darüber. Varja und Nina geben keinen Mucks von sich.
    Bald sind wir auf dem Alexandras-Boulevard, wir fahren offensichtlich zum Polizeipräsidium. Diese Tatsache beruhigt mich, ich soll also wirklich nur verhört werden. Sie führen mich in die dritte Etage hoch und lassen mich auf einer Bank Platz nehmen.
    »Warte hier«, meint der Brillenträger. »In Kürze wird dich Kommissar Charitos zu sich rufen.«
    Nach einer halben Stunde etwa führt mich ein anderer Polizeibeamter in das gegenüberliegende Büro. Vor mir sitzt ein Kommissar mittleren Alters, und mein erster Gedanke ist, daß er mir als Kunde gelegen käme. Er ist einer von den Typen, die in den Laden kommen, wenn ihre Frau verreist ist, wortlos vögeln, gesittet bezahlen und wieder abhauen.
    »Bist du Sonja Petrowa?« fragt er.
    »Jawohl.«
    Er öffnet eine Schublade seines Schreibtisches und zieht meinen Paß heraus. Er blättert ihn rasch durch und übergibt ihn mir.
    »Da ist dein Paß. Wir haben ihn in der Wohnung des Täters gefunden.«
    Ich greife danach, zögere jedoch aufzustehen und zu gehen. Ich werde wohl kaum so leicht davonkommen. Doch ich täusche mich. »Das war alles, du kannst gehen«, meint er.
    Ich wende mich um und steuere zur Tür, dabei versuche ich, meinen Schritt im Zaum zu halten. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß ich es sehr eilig habe, und dadurch verdächtig erscheinen. Als ich die Tür öffnen will, höre ich noch einmal seine Stimme.
    »Hattest du das ganze Heroin dort versteckt? Hast du nichts zurückbehalten?«
    Mir werden die Knie weich. Einen Augenblick lang halte ich inne, um mich von dem Schrecken zu erholen.
    »Welches Heroin?« frage ich so gelassen wie möglich.
    »Das Heroin, das du im Schrank unter der Spüle plaziert hast. Das war alles, oder? Du hast nicht irgendwo noch einen Rest vergessen?«
    »Ich habe nichts mit Heroin zu tun«, sage ich wahrheitsgemäß. Aber es ist nicht die ganze Wahrheit.
    »Tu es jedenfalls nicht wieder«, meint er fast väterlich. »Also, uns kam es gelegen, denn wir wollten diesen Schurken ohnehin einbuchten. Aber beim nächsten Mal hast du vielleicht weniger Glück.«
    Wir blicken uns einen Augenblick lang an. Dann wende ich mich zum Gehen, mit meinem Paß in der Tasche.
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