Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
Vom Netzwerk:
einem Springbrunnen in der Mitte. Es ist noch leer und rundherum liegt Erde aufgeschüttet. Plötzlich gehen die Scheinwerfer am Grund des Bassins an, und der ganze Raum wird erhellt.
    »Sehen Sie«, meint Kalavrytis und deutet auf einen Punkt außerhalb des Bassins.
    Aus der aufgeschütteten Erde ragt eine menschliche Hand, die sich uns entgegenstreckt, als hätte sie uns gerade mit Dreck beworfen – die klassische, beleidigende Handbewegung, die sogenannte Moutsa.
    »Ruf die Spurensicherung«, sage ich zu Vlassopoulos neben mir. »Und die Gerichtsmedizin.« Vlassopoulos entfernt sich im Laufschritt, und ich wende mich Kalavrytis zu. »Wer hat das entdeckt?«
    »Die albanischen Arbeiter, die Pflanzgruben für die Bäume ausheben.« Und er deutet auf einige verhungerte Bäumchen inmitten kreisrunder Beete. »Sie haben die Hand aus dem Schutt ragen sehen, da haben sie mich sofort gerufen. Morgen wollten wir den umliegenden Platz betonieren, gegenüber der Wand der Nationen, von der ich Ihnen erzählt habe. Ich habe auf der Stelle die Arbeiten einstellen lassen und sie in einem Container eingeschlossen, damit sie es nicht rumerzählen. Dann habe ich Sie verständigt.«
    »Gut gemacht. Holen Sie jetzt zwei Arbeiter zum Ausbuddeln her.«
    »Wollen Sie nicht auf Ihren Vorgesetzten warten? Er soll gleich hier sein.«
    »Wieso sollte ich auf ihn warten? Hat er gesagt, daß er selbst schaufeln will?«
    »Nein, aber … Vielleicht will er beim Fund der Leiche dabei sein …«
    »Woher wissen Sie, daß wir eine Leiche finden werden?«
    Er blickt mich überrascht an.
    »Kann sein, daß man nur die Hand eingegraben hat und nichts weiter«, erläutere ich.
    Der Gedanke scheint ihn zu erleichtern, und sein »Hoffentlich!« klingt wie ein tiefer Seufzer. Er geht los, um die Arbeiter zu holen, aber ich halte ihn zurück.
    »Mir sind Arbeiter lieber, die kein Griechisch sprechen.«
    Er lacht auf. »Keiner von denen spricht Griechisch. Wir setzen sie nachts in Albanien in einen Reisebus, und am Morgen gehen sie gleich an die Arbeit, um die Olympiabauten rechtzeitig fertigzustellen. Wann sollten sie da Griechisch lernen?«
    Erst als ich allein zurückgeblieben bin, untersuche ich die Hand genauer. Mein erster Gedanke scheint sich nicht zu bestätigen. Rundherum wurde ziemlich viel Erde ausgehoben, und wäre nur der Arm eingegraben worden, dann wäre er vermutlich ganz zur Seite gesunken oder zumindest etwas in Schieflage geraten. Ich fürchte sehr, daß wir, wenn wir weitergraben, auch den Körper finden werden, der dem Arm den nötigen Halt bietet. Ich gehe um das Bassin herum. Auf der anderen Seite erheben sich Arkaden aus Metall, die parallel zum Calatrava-Dach verlaufen und an einen langen, überdachten Wandelgang erinnern. Die Arbeiten dort drüben scheinen abgeschlossen zu sein. Plötzlich kommt mir der Gedanke, daß diejenigen, welche die Hand eingegraben haben, sie nicht irrtümlich, sondern mit voller Absicht in die Höhe ragen ließen. Wieso aber? Wieso sollte man die Aufmerksamkeit auf jemanden lenken, den man aller Wahrscheinlichkeit nach getötet und mit hundertprozentiger Sicherheit illegal beigesetzt hat? Vielleicht kriege ich mehr heraus, wenn wir den Toten ausgraben.
    Kalavrytis taucht plötzlich unter der Arkade auf, gefolgt von zwei Albanern, die mit Hacke und Schaufel ausgerüstet sind. Ich zeige ihnen, wie sie rund um den Arm graben sollen, damit sie mir nicht unabsichtlich den Körper zerhacken. Kurze Zeit später kommt allmählich ein männlicher Leichnam zum Vorschein.
    »Pech gehabt!« meint Kalavrytis enttäuscht. »Da liegt doch eine Leiche.«
    Ich gebe keine Antwort, da ich in der Zwischenzeit meine Meinung geändert und nichts anderes erwartet habe. Ich packe eine Schaufel und zeige den beiden Albanern, wie man die Erde von der Leiche entfernt, ohne Schaden anzurichten. Somit kommt langsam der Körper eines splitternackten Mannes ans Licht – Mitte dreißig und mit dunklen Locken. Seine Augen sind geschlossen, und der linke Arm liegt eng an den Schenkel gepreßt. Die Hand, die uns die Moutsa gezeigt hat, war die rechte.
    Auf dem nackten Bauch des Toten steht mit schwarzer Schrift geschrieben: AL - QAIDA .
    »Oh, nein!« zischt Kalavrytis neben mir. »Mein Gott, nur das nicht!«
    Ich sage nichts und starre auf ein nacktes Opfer der AL - QAIDA , dessen ausgestreckte Hand uns mit der Moutsa beleidigt.
     
    Zweiter Abend: Griechenland – Tschechien 1:0
     
    Der amerikanische Agent steht hinter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher