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Balkan Blues

Balkan Blues

Titel: Balkan Blues
Autoren: Petros Markaris
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hundert Mal erklärt! Daß du auch so schwer von Begriff bist!«
    Der linke Fuß schert eilig aus, um die Richtung zu wechseln, und tappt in eine Pfütze. Das Wasser spritzt hoch. Die schwarze Jeans saugt es jedoch nicht auf. Die Tropfenperlen ab und rollen, anfänglich langsam und zögernd, dann immer schneller, wie über eine kompakte, glitschige Rampe hinab. Die kleinsten Tropfen setzen sich an der abgewetzten Stelle am rechten Knie fest, doch aufgrund der Wucht ihres Aufpralls überwinden sie schließlich doch das Hindernis und setzen ihren Weg bis zu den Turnschuhen fort.
    »Wenn die Birnen schmutzig werden, bezahlst du sie, du Wichser!«
    Der rechte Fuß schert abrupt nach rechts aus und bleibt in der Luft hängen, um der Pfütze auszuweichen, während die Arme verzweifelt die Balance zu halten versuchen. Die Obststeigen kommen für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht und geraten auf den Handflächen ins Schwanken, doch die Daumen bleiben in ihrer Verankerung und stellen die Balance wieder her.
    Die Füße treten jetzt sicher auf den Gehwegplatten auf, ohne auf andere Hindernisse zu stoßen. Nur für einen Moment weichen sie einen Schritt zurück, als sie auf ein paar Orangen treffen, die auf den Boden gefallen sind. Geschickt weichen sie ihnen aus und nähern sich zielsicher dem Turm mit den Obststeigen. Die Arme recken sich in die Höhe, die Steigen schweben in der Luft, dann werden sie vorsichtig heruntergelassen und sanft auf den übrigen Birnen abgesetzt. Die Daumen lösen sich und allmählich tauchen die Hände aus dem Spalt zwischen den beiden Stapeln wieder auf.
    Die schuppige Haut der Hände erinnert an die Musterung einer Meeräsche oder einer Brandbrasse: schmutzig-weiß die Handrücken, grau die Finger, Übergang fließend und von Linien durchfurcht, die sich um die Fingergelenke vertiefen. Die Nägel schillern in drei Farben: schwarz an den Rändern, weiß in der Mitte und gelblich an den Wurzeln. Gelblich ist auch die Haut des rechten Mittelfingers, während am linken Daumen der Fingernagel fehlt.
    Die Hände tasten sich langsam zu den Hosentaschen vor. Die Linke schlüpft sofort in ihr Versteck. Die Rechte überlegt es sich im letzten Augenblick anders und kehrt zu den Birnensteigen zurück. Die Finger fahren das Holz entlang, zart und behutsam, fast wie ein Streicheln. Sie erreichen die vierte Steige und tauchen blitzschnell in den Spalt. Als sie wieder hervorkommen, halten sie eine Birne umklammert, die zur Hälfte noch in ihr weißes Papier gehüllt ist. Sie pressen sie eng an die Hose, während der Handrücken sie abschirmt und verbirgt.
    Die rechte Hand schlüpft eilig in die rechte Hosentasche, wie ein wildes Tier, das mit seiner Beute in einer Höhle Zuflucht nimmt. Die Füße beginnen von neuem ihre Route, nur gemütlicher und gelassener: kein Arbeitsrhythmus, sondern Spazierschritte. Der rechte schwenkt langsam zur Seite, der linke folgt ihm. Sie gehen an leeren Stapeln von Obststeigen entlang, die wild zerstreut umherliegen – hochkant, liegend oder zerborsten.
    Die Füße halten inne, wo die Stapel zu Ende sind und eine kahle Wand beginnt. Hier und da sprießen ein paar Grasbüschel, vergilbt und zertreten. Die Fersen kommen im rechten Winkel zur Wand zum Stehen, zuerst die linke, dann die rechte. Gleichzeitig beugen sich, eng aneinandergedrückt, die Knie. Der Hintern rutscht langsam die Wand entlang nach unten, bis er den Boden berührt. Danach trennen sich die Knie, die rechte Fußspitze deutet in Richtung des Gebäudes, die linke zu den Stapeln mit den leeren Obststeigen.
    Die rechte Hand fährt langsam aus der Hosentasche, zusammen mit der Birne. Sie schüttelt sich kurz, damit sich die Papierhülle von der Birne löst, und dann schwebt sie hoch zum Mund, ganz langsam, als wolle sie den ersten Bissen noch hinauszögern.
    Ein zweites Paar Füße kommt im rechten Winkel auf das erste zu. Es bewegt sich schnell und zielgerichtet. Die Kollision erfolgt, als der linke Fuß des Ankömmlings es nicht schafft, vor dem Hindernis rechtzeitig anzuhalten und am Knöchel des anderen rechten hängen bleibt. Der neue rechte Fuß gerät aus dem Takt und schwebt in der Luft. Einen Augenblick lang scheint es so, als würde er auf das andere Paar treten, doch in letzter Sekunde gelingt es ihm auszuweichen. Dabei reißt er die rechte Hand mit der Birne zu Boden. Überrumpelt lösen sich die Finger, und die Birne rollt auf eines der spärlichen Grasbüschel, mit der angebissenen Seite nach
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