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Bahnen ziehen (German Edition)

Bahnen ziehen (German Edition)

Titel: Bahnen ziehen (German Edition)
Autoren: Leanne Shapton
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Fast and the Furious erklärt Alex Baumann, der mit einer Schulterverletzung am Beckenrand sitzt, dass er es hasst, das Training zu versäumen:
    »Es ist echt hart, beim Training zuzusehen, wenn du nicht im Wasser sein kannst«, sagt er monoton.
    Der Sprecher erklärt, dass Baumann Diplomat werden will.
    Der charismatische Victor Davis dagegen zeichnet ein Bild von Beschwerlichkeit und Opfergabe:
    »Du wirst sehr müde und bist deprimiert, und du wünschst, du hättest das gesellschaftliche Leben, das deine Freunde haben, du wünschst, du könntest mit einer Frau ausgehen, aber es ist echt schwer. Du bist zu müde ... Du wachst auf, dein Wecker klingelt um fünf, und du kannst den Schnee draußen hören, und du liegst in deinem schönen warmen Wasserbett und sagst, ich will da nicht raus. Wer will um fünf Uhr früh ins Wasser springen?«
    Davis, sagt der Sprecher, will Polizist werden.
    Bei den Weltmeisterschaften 1982 kommt Davis bei 100 Meter Brust enttäuschenderweise als Zweiter nach Steve Lundquist ins Ziel. Die Kamera zeigt, wie Davis mit seinem Trainer Cliff in der Halle spricht. Sie gehen den Wettkampf noch einmal durch, schütteln die Köpfe. Cliff seufzt und sagt: »Was willst du machen?« Davis murmelt fast unhörbar: »Hochgehen und das Hotelzimmer schrotten.« Cliff schüttelt den Kopf. »Das kannst du nicht machen.«
    Es erinnert mich daran, wie Serena Williams’ braves Benehmen zerbröselt und eine extreme Aggression zum Vorschein kommt, etwas, das in jedem steckt, der unter solchem Druck steht, derart fokussiert, entschlossen und voller Ehrgeiz ist: ein überwältigendes Maß an knirschender aufgeladener Energie. Warum erwarten wir von Weltklassesportlern, dass sie immer nett und höflich sind?
    Figuren wie John Cheevers Schwimmer Neddy Merrill, Don DeLillos Footballspieler Gary Harkness und David Foster Wallace’ Tennis-Wunderkind Hal Incandenza verweisen durch ihrNichtgewinnen auf ein breiteres, komplizierteres Feld der Kultur. An ihren Schwimmwettkämpfen, Spielen, Turnieren ist nichts Erlösendes. Ihre Laufbahnen zielen nicht auf den Sieg.
    Ich sehe mir Wettkämpfe auf YouTube an, sehe Filme wie The Fast and the Furious, Michael Phelps: Inside Story of the Beijing Games und Unfiltered: Michael Phelps & Ian Crocker – The Story behind the Rivalry , und auch wenn ich mir stundenlang das Ende von Jason Lezaks 4-mal-100-Meter-Freistil-Staffel 2008 ansehen könnte, sind die Szenen, die mich am meisten berühren, die Wohnungen, die Küchen, die Milchgläser, ein Schwimmer, der mit seinem Teller auf dem Fernseher zu Abend isst, Lampenschein, Eltern, blaugrüne Überdecken, Socken auf Treppen und mit Teppichboden ausgelegte Flure.
    Ich bin keine Vorzeigesportlerin. Neuerdings habe ich den Verdacht, dass ich eher zum Baden geeignet bin.
    Baden heißt, im Wasser Bodenkontakt zu haben – Vortrieb und Geschwindigkeit sind sekundär. Baden. Baden : Das Wort selbst ist wie Balsam, eine Spülung, nicht der aufgewühlte Kampf des Schwimmens . Ich frage mich, warum sich das Schwimmen in Nordamerika so anders anfühlt als das Schwimmen in Europa.
    Bis ins späte siebzehnte Jahrhundert bedeutete das Meer Gefahr und Tod, die Häuser öffneten sich zum Land hin, Matrosen sollten nicht schwimmen lernen, um sich den Respekt vor dem Wasser zu bewahren. Das Meer stank, rülpste Algen und Treibgut und war voll von Piraten und Monstern. Der Wert einer Küstenlinie wurde daran bemessen, wie gut sie befestigt war. Schwimmunterricht als militärischer Drill für Männer und Pferde wurde in Nordeuropa im späten achtzehnten und frühen neunzehnten Jahrhundert eingeführt, zeitgleich mit der Entwicklung von Innentoiletten und fließend Wasser.
    In seinem Buch The Springboard in the Pond: An Intimate History of the Swimming Pool spricht Thomas A.P. van Leeuwen darüber, welchen Eindruck die sportliche Aktivität in den USA auf europäische Reisende in den 1890er Jahren machte: »Amerikaner scheinen ihre geistige Energie am besten durch die Bewegung ihres Körpers auszudrücken, durch Rennen, schnelles Gehen und sportliche Wettbewerbe.«
    Ich denke an das einzige Mal, als mir meine Medaillen einen Vorteil verschafften, an der US -Grenze in Buffalo. Als Jason und ich die Grenze erreichen, nachdem wir seit Toronto im Stau gestanden haben, beäugt uns ein Zollbeamter argwöhnisch und fragt nach unseren Pässen. Im Auto herrscht Chaos; es riecht nach Schweiß und Chicken Nuggets. Über den Rücksitz verteilt sind
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