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Bahnen ziehen (German Edition)

Bahnen ziehen (German Edition)

Titel: Bahnen ziehen (German Edition)
Autoren: Leanne Shapton
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leichter wäre, würde es Hockey heißen – zum Propagandahaften  – Veni, Natavi, Vici, ich kam, ich schwamm, ich siegte; Kanadische Schwimmer sind Weltklasse  –, oder einfach: Ich liebe Schwimmen .
    Die Slogans sehen aus wie Autoaufkleber, die Schriften sind verspielte Kursiva oder akademische Blockschrift, auf einer Palette von Rosa, Blau und Lindgrün. Sie sind sehr affirmativ. Sie machen mich argwöhnisch, aber das ist die Sprache der Zugehörigkeit.
    Ich sehe mir die Pyjamahosen an, ziehe ein Paar fliederfarbene mit roten Marienkäfern und weißen Gänseblümchen heraus. Ich frage mich, wann ich sie tragen würde. Der Mann am Tisch meint, ein neonpinker Aufnäher würde gut darauf aussehen. Er legt das fett gedruckte Wort SCHWIMMEN über ein Hosenbein. Ich sage ihm, dass ich darüber nachdenken würde.
    Im Weggehen denke ich ernsthaft darüber nach, dann betrete ich den kleinen Profiladen am anderen Ende des Flurs. An den Wänden hängen Flossen, Pullbuoys, Badekappen und Schwimmbrillen. Bretter und Nylonseesäcke stehen auf hohen Regalen; in einer Glasvitrine liegen Mikrofaserhandtücher, Schwedenbrillen und ein spezielles Schwimmer-Shampoo.
    An einer Wand hängen Badeanzüge. Seit 1992 haben sich die Modelle geändert. Jetzt gibt es Ausdaueranzüge aus einem dickeren Material, bunte Trainingsbadeanzüge in psychodelischen Digitaldrucken mit dünnen Trägern und tief ausgeschnittenem Rücken, Wettkampfanzüge aus glatten Polyestermischungen, wasserabstoßende Materialien mit verschweißten Nähten und Kompressionseinsätzen. Ich befühle sie mit den Fingern. Auf meinem Aufnäher würde stehen: HIN UND WEG . Ich sehe mir einen Badeanzug mit blaugrünem Tartanmuster an. Dann stelle ich mir vor, wie kratzig ein gewebter Wollbadeanzug wäre.
    Vom Parkplatz des Olympikons biege ich links in die breite Straße in Richtung Autobahn. Ich verstehe nicht, wie der Regler des Satellitenradios funktioniert, also gebe ich es auf und lasse die Lieder mich finden.
    Gordon Lightfoot: »Sundown«. Genesis: »Follow You«.
    Der Himmel ist bedeckt. Die verschlafene Landschaft von Bungalows und kleinen Einkaufszentren macht mir das Herz schwer. Ich werde wieder sentimental, und auf meinem Aufnäher steht: Heimat ist, wo das Herz ist . Ich verpasse die Ausfahrt und fahre unter mehreren Unterführungen hindurch und eine Anliegerstraße entlang, bis ich wieder auf einer vertrauten Straße bin und den gelbbraunen Wohnblock erkenne, wo meine Großmutter wohnte, als sie 1974 von den Philippinen nach Kanada kam. Wo sie mich früher mit selbstgemachten Zucker-Donuts und gebratenen Kochbananen fütterte.
    Ich denke darüber nach, warum ich das Schwimmen, Toronto, Kanada hinter mir gelassen habe. Ich weiß, es gibt zwei Seiten, zwei Leben, die ich intensiv spüre – nicht das Leben als Sportler und das Leben als Erwachsener, sondern das Leben des Körpers und das Leben des Herzens.
    Ich stelle mir die Liebe zum Schwimmen wie die Liebe zu einem anderen Menschen vor. Wie ein Kuss entsteht, das Wirken von Anziehungskräften. Ich denke an Kompromisse, Opfer und Trennung. Auch das Herz kann die richtige Zeit verfehlen, kann mehr als einmal knapp danebenliegen. Wir werden von anderen überholt, verzweifeln vielleicht, wir verlieren, gewinnen, werden zu unseren Ergebnissen, finden unseren Platz und Rang.
    Ich stelle mir die Liebe zum Schwimmen wie die Liebe zu einem Land vor. Wie wir im Wagen meines Vaters auf dem Rücksitz durch Torontos ältere Viertel kurvten, um uns die Weihnachtsbeleuchtung anzusehen. Gerahmte Fotos der jungen Queen Elizabeth in den Klassenzimmern, schlecht sitzende Wollmäntel und Pelzmäntel, Schlittschuhbörsen. Der Parkplatzvor dem Schwimmbad des Gemeindezentrums um 4.45 Uhr, wenn sich der Eisregen anhört, als würde jemand mit einer Stahlbürste an der Wagentür kratzen. Eine gefrorene Leine schlägt klirrend an einen Fahnenmast. (Die linke Tür ist offen; innen, im Warmem, gehen flackernd die Lichter an.) Allgegenwärtig ist der Geruch von Chlor und das Treiben von Schnee in der Dunkelheit.

DANKSAGUNG
    Vielen Dank, Ken Whyte, Michael Schmelling, Byron MacDonald, Sarah Hochman, Helen Conford, Anna Jardine, Jason Fulford, Miranda Purves, Mark Lotto, Sheila Heti, Deirdre Dolan, Craig Taylor, Lorin Stein, Sara Angel, Friederike Schilbach, Richard McGuire, Mary Robertson, Mary Duenwald, Deborah Moggach, David Shipley, Andrew Wylie, Sarah Chalfant, Luke Ingram, Rebecca Nagel, Pamela Baguley, Susanne Kippenberger,
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