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Bädersterben: Kriminalroman

Bädersterben: Kriminalroman

Titel: Bädersterben: Kriminalroman
Autoren: Kurt Geisler
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befinden. Dorf dagegen hat eher gemütliche Restaurants, schöne Geschäfte und elegante Einfamilienhäuser. Ording hat bescheidenere Häuser und ist von Wiesen umgeben, und in Böhl wohnen vor allem Einheimische.

     
    Im Gegensatz zu den vielen frisch renovierten Kurbädern an der deutschen Ostseeküste mit weißer Bäderarchitektur wie in Binz oder Ahlbeck wies in Sankt Peter die erste und die zweite Häuserreihe immer noch einen unglaublichen Stilmix auf, und Stuhr hatte lange bezweifelt, dass die Bausünden der Nachkriegszeit jemals behebbar wären. Doch seit einigen Jahren erlebte St. Peter-Ording eine nahezu unglaubliche Renaissance, und auf einmal war der Badeort wieder in. Er hatte endgültig den spröden Charme der Nachkriegszeit abgestreift.
    Sankt Peter hatte sich den Titel des größten Seebades Deutschlands von Cuxhaven wieder zurückerobert. Im Gegensatz zum Umbruch in Sankt Peter fielen immer mehr Bäder an der Ostseeküste Schleswig-Holsteins mit ihren Kastenhotels und Kurstätten aus den 1970er-Jahren in einen Tiefschlaf. Die wenigen verbliebenen Urlauber dort verringerten sich dramatisch auf biologische Art und Weise, und in die Infrastruktur konnte wegen der ausbleibenden Einnahmen nur noch punktuell investiert werden; meistens auch noch ausgerechnet in Angebote für die aussterbende Touristen-Klientel, die zudem nur durch sinkende Preise gehalten werden konnte. Daher setzte vielerorts ein Bädersterben ein, welches sicherlich durch die neue Konkurrenz im Osten Deutschlands mit prunkvollen Bädern und natürlichen Strandräumen weiter beschleunigt wurde.
    Die vielen jungen Hamburger mit ihren dunklen Sonnenbrillen, die freitagabends mit ihren schwarzen Cabriolets wie die Heuschrecken für ein kurzweiliges Wochenende in das Kur- und Heilbad St. Peter-Ording einfielen, hatten ihrem hippen maritimen Vorort schnell ein trendiges Kürzel verpasst: SPO. Stuhr war dankbar, am verregneten Wochenende auch diesem Rummel entgangen zu sein. Dennoch, insgesamt schienen die Dorfbewohner von Sankt Peter auf dem richtigen Weg zu sein, befand Stuhr, als er von der Maleens Knoll wieder zu seinem Golf hinunterkletterte. Die der Düne vorgelagerte kleine Straße führte Stuhr nun zum Parkplatz der Therme. Hier parkte er immer, weil der am nächsten zur Seebrücke lag. Es trieb ihn noch nicht in sein Hotel, denn er war neugierig, wie die renovierte Kurpromenade gelungen war.
    Wo letztes Jahr noch eine große Baustelle den Weg zum Strand erschwert hatte, schwang sich jetzt ein gepflasterter Weg schwungvoll über den kleinen Deich zu einem großzügig gestalteten, von kleinen Zäunen eingefassten Platz, der sich zur neu gestalteten Seebrücke hin öffnete. Wegen der vielen Kampfradler, die den Deich entlang ihr Morgenpensum abspulten, bewegte sich Stuhr nur vorsichtig über die Krone und blickte sich um. Auf dem unendlich weiten Sandstrand hinter der Seebrücke erhoben sich an drei Stellen fast unwirklich auf imposanten hölzernen Pfahlunterbauten Restaurants und Toiletten in den Himmel, was die Dramatik dieser Landschaft noch verstärkte. Ja, genau das war der Grund, warum er sich hier jedes Jahr für eine Woche herziehen ließ, denn nur an wenigen Stellen war die Nordsee so schön und naturbelassen wie hier. Er würde Sonne tanken, am endlosen Strand joggen, viel schwimmen. Sankt Peter erstreckt sich nämlich zwölf Kilometer entlang der Nordsee.
    Zudem war hier alles ein bisschen anders, denn auf dem Sand, so hieß der vorgelagerte Strand, ist Parken an manchen Stellen genauso erlaubt wie Reiten, und Hunde dürfen mit ins Wasser. Stuhr schlenderte zum Vorplatz der Seebrücke am neuen, gut in die Dünenlandschaft passenden Fischrestaurant vorbei, bevor er vom modernen Raubrittertum der Seebädermafia eingeholt wurde.
    »Drei Euro. Die Dame dabei? Dann sechs.«
    Stuhr hatte das kleine graue Kassenhäuschen, an dem er eben im Begriff war, vorbeizugehen, auf der gegenüberliegenden Seite des Restaurants bisher überhaupt nicht wahrgenommen. Er drehte sich um. Die großen Sonnenbrillengläser einer eleganten, groß gewachsenen Blondine mittleren Alters spiegelten sein optisch verzerrtes Antlitz wider. Ihre Augen waren hinter dem dunklen Glas nicht zu erkennen, aber ihr Mund konnte sich ein spöttisches Lächeln kaum verkneifen.
    Er wandte sich wieder dem Mann im Kassenhäuschen zu und schüttelte verlegen den Kopf. Nachdem er um drei Euro erleichtert war, betrat er grimmig die Holzplanken. Er bezweifelte, dass mit der
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